Eine Action auf der Donau – Budapest, 18 Uhr 25. Juli 2006
Photograpisch Javor dokumentiert von Istvan Javor
18 Uhr, 25. Juli 2006 in Budapest, neben dem Holocaust-Denkmal „Schuhe am Donauufer“ und seinen offiziellen Gedenktafeln errichtet eine kleine Gruppe von Ungarn aus Budapest – zusammen mit Rabbi Tamas Vero, der ein Gebet geleitet hatte, und mir selbst – eine inoffizielle Gedenktafel mit folgender Inschrift (auf ungarisch):
„In Erinnerung an die jüdischen Bürger, die 1944 von den ungarischen Faschisten am Donauufer erschossen wurden.“
Damals wurden Familiengruppen mit Draht an den Beinen zusammen gebunden und in einer Reihe an Rand der Donau aufgestellt. Nachdem der erste erschossen wurde, fielen alle ins Wasser.
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Ich besuchte Budapest zum ersten Mal im Juni 2006, um meine Ausstellung im unabhängigen Kulturzentrum Tüzrakter (vom 26. Juli bis 9. August) vor zu bereiten. Katalin Pecsi vom Holocaust-Gedenkzentrum zeigte mir Gyula Pauers Denkmal-Installation die „eisernen Schuhen“ und erzählte mir von Judy Cohens fruchtlosen Versuchen, die Auslassungen auf den Gedenktafeln offiziell zu berichtigen. Die offenkundige Abwesenheit der Opfernamen war etwas, das sofort behandelt werden musste – und sei es inoffiziell. Ich entschied mich, die Aktion Naming no Shaming (Beim Namen Nennen) einzuleiten – die Anbringung einer Gedenktafel, welche die Opfer identifiziert.
Laut dem Historiker Tamas Kovacs wurden Roma, Zeugen Jehovahs und Widerstandskämpfer von der Polizei verhaftet und nach einem Prozess hingerichtet oder in Konzentrationslager geschickt usw. Die Erschießungen, die von den Pfeilkreuzlern – den ungarischen Faschisten – verübt wurden, waren spontane Aktionen, ohne exakte Listen von „Zielgruppen“ – ungefähr 4.500 jüdische Opfer wurden aus nahe gelegenen Gebäuden in der Nähe der Donau (im Ujlipotvaros-Nachbarschaft) hinausgejagt, die vermeintlich sicheren Unterschlupf boten, mit einer Geschwindigkeit und Effizienz, die diejenige der deutschen Faschisten noch übertraf. Es existieren keine genauen Listen der Menschen, die dort getötet wurden oder irgendwie überlebt haben. Wir haben nur ein paar Zeugnisse und „unerzählte Geschichten“ von Überlebenden. esztertaska.blogter.hu…
Im Mai 2005 besuchte Judy Cohen Budapest und hatte die Möglichkeit, die neue Holocaust-Denkmal-Installation zu besuchen: „Cipök a Dunaparton“ – „Schuhe am Donauufer“ von Gyula Pauer, nach einem Entwurf des ungarischen Theaterregisseurs Can Togay, wurde im Sommer 2005 enthüllt (www.pauergyula.hu/cipo…). Auf den Photos der Website sind unpassenderweise nur christliche Geistliche zu sehen, welche einen Segen für die jüdischen Ermordeten aussprechen.
„Ich glaube, dies ist eine einfallsreiche, immens bewegende und sehr angemessene Ehrung dieser ungarisch-jüdischen-Bürger, die von Nyilas Terrorschergen, an der Donau erschossen wurden. Als Überlebende von Auschwitz-Birkenau war ich vollkommen verblüfft und zutiefst verstört, dass die drei Tafeln in drei Sprachen die Identität der Opfer unterschlugen.“ Judy Cohen (geborene Weiszenberg), ehemals aus Debrecen, geschäftsführendes Mitglied des Holocaust-Gedenk- und Bildungszentrums, Lektorat: www.womenandtheholocau…
Im letzten Jahr schrieb Judy Cohen an verschiedene Budapester Adressen, darunter die Denkmal-Künstler, die zustimmten, dass neue Tafeln angefertigt werden sollten, auf denen die Opfer namentlich erwähnt werden und nicht nur ihre brutalen Mörder, die Pfeilkreuzler-Milizionäre.
Niemand hat damals irgendetwas unternommen, um die Inschrift auf den Tafeln zu ändern. Und außerdem ist die neue Tafel drei Tage nach unserer Aktion verschwunden, wahrscheinlich auf die gleiche Art, wie manche der „eisernen Schuhe“ – die in die Donau geworfen wurden – verschwunden sind. Ich hoffe, dass die Tafel Naming no Shaming (Beim Namen Nennen), ebenso wie die Schuhe, diesmal auch offiziell ersetzt wird.