You walk backwards — Gedicht für Dogan

Seit dem 10. August 2010 befindet sich der Kölner Schrift­steller und Menschen­rechtler Dogan Akhanlı in der Türkei in Haft – zu Unrecht! Für eine sofor­tige Freilas­sung Akhanlis haben sich unter anderem ausge­sprochen: Günter Grass, Edgar Hilsen­rath, Yasar Kemal, Zülfü Livaneli, Orhan Pamuk und Mikis Theodor­akis. 

Am 10. August 2010 wurde Dogan Akhanlı am Flughafen in Istanbul verhaftet. 

Akhanlı war zum ersten Mal seit seiner Flucht im Jahr 1991 in die Türkei gereist, um seinen kranken Vater zu besuchen. Die türkische Staat­san­waltschaft warf Akhanlı zunächst vor, er sei im Oktober 1989 an einem Raubüber­fall auf eine Istan­buler Wech­sel­stube beteiligt gewesen, bei dem ein Mensch getötet wurde. Akhanlı hat diesen Vorwurf und jegliche Verbindung zu dem Über­fall entsch­ieden zurück­gewiesen. Seine Anwälte Haydar Erol (Istanbul) und Ilias Uyar (Köln) stellen fest, dass die Staats- anwaltschaft weder Zeugen noch Indizien für diese Beschuldigung vorlegen kann.

Drei Haftbeschw­erden der Anwälte wurden von den Istan­buler Justizbe­hörden abge- wiesen. Am 6.September 2010 hat die 11.Große Strafkammer des Strafgerichts Istanbul eine Anklage gegen Akhanlı zur Verhand­lung zuge­lassen, ein Verhand­lung­stermin ist noch nicht ange­setzt. Die türkische Staat­san­waltschaft hat eine lebenslange Haft beantragt. Akhanlı wird nun vorge­worfen, den Über­fall geleitet zu haben. Darüber hinaus soll er der »Führer eines Komplotts zum Umsturz der verfas­sungsmäßigen Ordnung der Türkei« sein. Die poli­tische Organ­i­sa­tion, der Dogan Akhanlı in den 1980er Jahren tatsäch­lich ange­hörte, war vom Ober­sten Gericht­shof der Türkei 1994 als »nicht verfol­gungsrel­e­vant« eingestuft und die Mitglieder von dem Vorwurf freige­sprochen worden, einen Umsturz geplant zu haben. 

Zur Person

Der Schrift­steller Dogan Akhanlı, geboren 1957, ging nach dem Militär­putsch von 1980 in der Türkei in den Unter­grund. 1985 bis 1987 war er als poli­tis­cher Häftling im Militärge­fängnis von Istanbul inhaftiert und wurde dort gefoltert. Er floh 1991 nach Deutsch­land, wurde hier als poli­tis­cher Flüchtling anerkannt und später von der Türkei ausge­bürgert. Seit Mitte der 1990er Jahre lebt er als Schrift­steller in Köln, seit 2001 hat er einen deutschen Pass.

Akhanlı hat sich in Romanen, Aufsätzen und Inter­views sowie mit Projekten immer wieder für eine Auseinan­der­set­zung mit Gewalt und für die Unteil­barkeit der Menschen­rechte einge­setzt, ein Schw­er­punkt ist dabei das Gedenken an die Genozide des 20.Jahr- hunderts (unter Einschluss des Völk­er­mords an den Arme­niern) und der interkul­turelle, auf Versöh­nung orien­tierte Dialog. Er ist Dozent und ehre­namtlicher Mitar­beiter in vielen Kölner Kulturin­sti­tu­tionen. Seine Projekte wurden unter anderem von der Bundess­tiftung »Erin­nerung, Verant­wor­tung und Zukunft« gefördert und vom Bündnis für Demokratie und Toleranz ausgeze­ichnet. Akhanlıs Romane wurden zu den wichtig­sten Roman-Veröf­fentlichungen in der Türkei gewählt (Madonna’nin Son Hayali, 2005). Er erhielt 2009 den Liter­atur­preis der Zeitung »Hürriyet«. Dogan Akhanlı hat sich intensiv für die Aufk­lärung des Mordes an Hrant Dink einge­setzt und erin­nert an die friedenss­tif­tende Arbeit dieses Jour­nal­isten und Autoren.

Die Situ­a­tion von Dogan Akhanlı ist kein Einzelfall – auch deshalb ist Ihre Soli­dar­ität jetzt wichtig! 

Aktuelle Infor­ma­tionen zur Situ­a­tion Akhanlıs unter www​.das​-kultur​forum​.de, zur Veranstal­tung unter www​.liter​aturhaus​-koeln​.de

(Presseerk­lärung Literaturhaus-Köln)

Pressemit­teilung als PDF
Einladung zur Soli­dar­itätsver­anstal­tung als PDF 

Dogan Akhanli ist und bleibt frei
Albrecht Kieser, Rheinis­ches Jour­nal­istinnen Büro 10.12.2010

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Freunde!

Dass Dogan Akhanli frei ist, hat sich am Mittwoch Abend wie ein Lauf­feuer verbre­itet. Wir wollen es ein wenig ausführlicher bestätigen, als es vielle­icht in den vielen verschiedenen Meldungen und Infos angekommen ist:

Die 11. Strafkammer hat die Unter­suchung­shaft gegen Dogan aufge­hoben. Er unter­liegt kein­erlei aufen­thalt­srechtlichen Beschränkungen, kann also das Land nach Belieben verlassen und auch wieder einreisen.
Eine Fort­set­zung der Verhand­lung ist auf den 9. März 2011 terminiert.

So weit die schlichten Fakten. Nun zu einigen Eigen­tüm­lichkeiten des Gerichts­beschlusses: 

  1. Das Gericht hat seine Entschei­dung am Mittwoch Abend weder der Öffentlichkeit, d.h. den im Prozess Anwe­senden und nicht einmal dem Angeklagten mitgeteilt. Die Entschei­dung wurde vielmehr den vor dem Gerichtssaal Wartenden schriftlich vom Gerichts­di­ener heraus­gere­icht. Zu diesem Zeit­punkt befand sich der Angeklagte bereits wieder auf der Rück­fahrt zum Gefängnis.
    Solche Meth­oden der Urteilsverkün­dung sind in der Türkei immer noch gang und gäbe. Obwohl die türkische Justiz dafür bereits des Öfteren vom Europäis­chen Gericht­shof gerügt wurde.
  2. In Dogans Fall war das beson­ders übel, weil ihm im Gefäng­nisbus auss­chließlich der zweite Teil des Entscheids mitgeteilt wurde, nämlich die Fort­set­zung der Verhand­lung. So hat er während der zweistündigen Fahrt geglaubt, er werde bis dahin weiter hin Haft gehalten und war entsprechend verzweifelt.
  3. Das Gericht hat mit diesem Beschluss versucht, in zweierlei Rich­tung das Gesicht zu wahren“. Obwohl die Staat­san­waltschaft auch in der mündlichen Verhand­lung nicht den Schimmer eines Indizes für ihre Vorwürfe beib­ringen konnte, been­dete das Gericht diese Farce nicht. Damit wahrte“ es sein Gesicht gegenüber den nation­al­is­tis­chen Kreisen, die jede Kritik an der Türkei als Türkei feindlich“ bestrafen wollen und dafür sogar bereit sind, den von ihnen Verfol­gten wie z.B. Dogan Akhanli irgendwelche Verbrechen unterzuschieben. Das Gericht selbst hängt selber dieser recht­spoli­tis­chen Gesin­nung­shal­tung an. Der Staat­san­walt sowieso.
  4. Gegenüber der kritis­chen türkischen und inter­na­tionalen Öffentlichkeit wahrte das Gericht sein Gesicht“, indem es Dogan frei ließ. Der Druck, unter dem sich die 11. Strafkammer mit ihrem vorsitzenden Richter befand, war in der Verhand­lung spürbar. Das Gericht nahm die mutigen und offensiv vorge­tra­genen Vorwürfe der Vertei­di­gung ohne Gegen­wehr hin – ein vor türkischen Gerichten höchst unüblicher Vorgang – und akzep­tierte auch die Anwe­sen­heit von etwa 100 Zuschauern im Gerichtssaal, obwohl der Saal für nicht mehr als 40 Menschen ausgelegt war. 

Dogan wurde erst in der Haftanstalt Tekirdag darüber informiert, dass er ein freier Mann ist. Freunde holten ihn dann zurück nach Istanbul, wo er kurz vor Mitter­nacht ankam und mit vielen anderen seine Frei­heit feiern konnte. Er wird noch einige Tage in der Türkei bleiben, unter anderem um sein Dorf an der Schwarzmeerküste zu besuchen (auch von dort hatten sich übri­gens Menschen zum Prozess aufgemacht, um ihn zu unter­stützen). Noch vor Weih­nachten wird Dogan nach Deutsch­land zurückkehren.

Nur die große inter­na­tionale Soli­dar­ität, an der so viele Menschen und Gruppen mitgewirkt haben, hat das faktische Ende dieses üblen Spiels auf Kosten von Dogan Akhanli erre­icht. Dafür hat Dogan allen seinen ganz herzlichen Dank gesagt. Dogan hat uns gestern berichtet, dass er in seiner Zeit in Tekirdag viele Mithäftlinge kennen gelernt hat, die unter ähnlich faden­scheinigen Gründen wie er selbst fest­ge­halten werden, die aber leider weniger oder gar nicht bekannt” sind. Er hofft, dass seine Freilas­sung eine Initialzün­dung für das Ende der Gesin­nungsjustiz in der Türkei wird und dass die vielen poli­tis­chen Häftlinge endlich freikommen. Unser kritis­cher Blick auf das Wirken der türkischen Gesin­nungsjustiz ist also über den gestrigen Tag hinaus gefordert. Wir werden in den näch­sten Wochen auf der home­page dies­bezügliche Infor­ma­tionen zur Verfü­gung stellen. Vorerst möchten auch wir uns für die großar­tige Soli­dar­ität und die so frucht­bare Zusam­me­nar­beit mit den vielen, vielen Menschen bedanken, die in dieser Kampagne mitgewirkt und die Dogan zur Frei­heit verholfen haben.

Für den Unter­stützerkreis Albrecht Kieser


you walk backwards

through wander walls
toe to heel
toward the stuff of incubus
waging resistance

du wagst es

you walk in the rain

without shoes
but clad in irons
harassed
a bridled bit
harnessed to
a bitter bride
allied to the lie

alleine

your walk is circular

while flight is mine
a frag­ment figment
only
to where you walk
lonely
a fly against
the prison wall

ich fliege auf dich

I wonder at how you walk

you do not soil your fingers
combing graves
turning earth
aerating the matter
stroking unhal­lowed land
forking out rage
fallow fall out

dein fall

where you walk I wonder

what you wear
in badly drained dreams
your side
of the divide

a sock of song
a vest attested
weight invested
a tie of time
a cape of hope
to cap it all

du bist eine kleidermauer

genet walked through prison walls

you walk
towards the music
miti­gating migration
for those
souls
in transit
those
assassinated
made tacit

lautlos

walk away you don’t

to hide
from saying sooth
a truth
that they
explain away
a way of worth
to walk
they feign

das bist du nicht

you walk innocent

the other face
they show
tone dead
it’s they who
wear them
under
covert
undermine

you care to think
in kind

ein kind deiner zeit

walking live

you are
wary wired
and we
wait here
inspired
to meet you
half way
greet you
tuning fork
in hand

trägst du sie auf händen 



Präsen­ta­tion

2010 (31.10) Tanya Ury & Künstler lesen für die Frei­heit, Soli­dar­titätsver­anstal­tung für den Kölner Schrift­steller Dogan Akhanli, 18 Uhr Forum Volk­shochschule im Museum Raut­en­strauch-Joest, Cäcilien­straße 29 – 33, Köln (D)

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