Eine mit Plexiglas verschweißte und montierte (MDF) Photographie: Höhe 64 cm x Breite 90 cm (Edition 7)
Versicherungswert 2.000 Euro
lesser is me more or less zeigt auf der rechten Seite des Bildes die Künstlerin Tanya Ury in einer Dreiviertel-Ansicht. Digital in die Photographie eingebaut, auf der linken Seite, ihr gegenüber, befindet sich der deutsche Impressionist Lesser Ury, Tanya Urys Ur-Großonkel, in Gestalt einer Reproduktion seines ‚Selbstportät(s) mit Dunklem Hut’ (64 x 40 cm) aus dem Jahr 1914. Zu dieser Zeit war Lesser Ury 53 Jahre alt und auf der Höhe seiner Schaffenskraft. In diesem DoppelPorträt sind die beiden Urys mehr oder weniger gleichaltrig, Tanya ähnelt Lesser in Kleidung und auch Haltung und ahmt seinen Gesichtsausdruck nach. In der Mitte von lesser is me more or less, sozusagen die beiden Bildhälften miteinander verbindend, ist die Darstellung einer Narbe und menschlichen Narbengewebes zu sehen.
Doppel-Porträts – Eine Werkserie:
- Hermes Insensed 2000 – 2001
- Franco and Elke J. 2002
- lesser is me more or less 2003
- Your Rules 2004
- or else 2007
- Du bist Einstein 2007
- doo bee doo 2007
- Artistic freedom 2013
Lesser Ury machte sich in den 80er Jahren des neunzehnten Jahrhunderts einen Namen mit seinen Bildern von Berliner Straßenszenen, die ein Berlin auf dem Weg zur Moderne zeigen. Ury war jüdisch und gläubig. Einige seiner Gemälde, die biblische Themen zum Inhalt haben, sind weniger bekannt. Es war sein Glück, dass er 1931 gestorben ist, und somit den Niedergang Deutschlands und die Vernichtung des jüdischen Volkes nicht miterleben musste. Nach seinem Tod blieb das Schicksal seines Oeuvres zunächst in der Schwebe; es wurde von den Nazis als „entartet“ deklariert und viele seiner Werke wurden zerstört. Ein großer Teil wurde jedoch von Privatsammlern vor dem Zugriff der Nazis gerettet, indem sie Arbeiten versteckten oder sie auf dem Wege der Emigration nach England, USA und Israel mitnahmen.
In den 30er Jahren flohen Tanya Urys Eltern aus Nazi Deutschland nach England, wo sie geboren wurde und bis 1993 lebte, um danach als Künstlerin nach Deutschland zu ziehen. Nach dem Krieg war Lesser Urys Werk weitgehend in Vergessenheit geraten. Nur dank dreier Retrospektiven, die in Berlin (1995 und 2002 im Käthe-Kollwitz Museum, und 2002 im Centrum Judaicum) gezeigt wurden, war es Tanya Ury möglich, Lesser Urys Werk, das aus vielen verschiedenen Ländern zusammengetragen worden war, kennen zu lernen.
In den 89 Jahren, die die beiden auf dem photographischen Porträt abgebildeten Urys von einander trennen, haben zwei Weltkriege stattgefunden; Deutschland wurde geteilt und wieder vereint. Berlin erlebt heute eine Wiedergeburt und erfährt einen Aufschwung, der mit demjenigen am Ende des neunzehnten Jahrhunderts (Fin de Siècle) vergleichbar ist; als Folge davon sind Lesser Urys Berlin-Ansichten wieder gefragt. In den letzten Jahren sind nach und nach jüdische Künstler nach Deutschland gekommen, um dort zu leben und zu arbeiten. Ob diese Wiederbelebung jüdischer Kultur in Deutschland überhaupt möglich ist, und ob ein solcher an frankensteinähnlicher Versuch nicht zum Scheitern verurteilt ist, diese Frage stellt lesser is me more or less.
***
Auch andere Kunstarbeiten Urys lassen sich als „visuelle Poesie“ verstehen. Moving Message 1992, beinhaltet ein LED-Display mit den Wörtern: you are why; Sonata in Sea 1999 – 2000 ist eine Photoserie kombiniert mit Poesie und wrestlewithyourangel 2001 ist ein Neonleuchtzeichen, das zusammen mit dem Neonzeichen neonazi 2001 angefertigt wurde; der Titel eines Photo-Doppel-Porträts lesser is me more or less 2003 spielt auf den Namen von Lesser Ury an, den deutschen Post-Impressionisten, sowie auf den Titel eines weiteres Doppel-Porträts or else 2007, der auf die deutsche Autorin Else Ury deutet. Der Titel eines dritten Porträt-Photos Beelzebularin 2005 (in der Serie Promised Land) entschlüsselt sich als Anagram des biblischen „Bezalel Ben Uri“. half dimensional – semi detached 2010 schließlich kombiniert das erste der half dimensional poems mit der Photographie semi detached.
concrete – Eine Werkserie (Beinhaltet Gedichtreihen)
- femininity – femininiation 2011
- Moving Message 1992
- Word-fore-play – Recipe for Love (Wort-Vor-Spiel – Liebesrezept) 1995
- Sonata in Sea 1999 – 2000
- wish 2000
- wrestlewithyourangel 2001
- neonazi 2001
- Poker Poems 2003
- elle la poésie 2003
- lesser is me more or less 2003
- Promised Land – Gelobtes Land – Eine Werkserie 2005
- Mid Summer (Mitsommer) 2005
- Un 2006
- or else 2007
- half dimensional poems (halbdimensionale Gedichte) 2009 – 2011
- half dimensional – semi detached 2010
- cement (Befestigte Gedichte) 2011
- on a mat appear (Lautquälerei) 2011 -
- Lost Poems (Verlorene Gedichte) 2011
- weißer neger (white nigger) 2011
- informed (informiert) 1.3.2011
- concrete party 2011
- oral call 2011
- cross word 2011 – 2012
- toned poems 2011 – 2012
- two toned 2012
- pommes 2012
- taste of space 2012 – 2013
- leeres archiv 2013
- archive burn out 2011 – 2014
- hero of your own saga 2013 – 2014
- magical reality (magische realität) 2014 – 2015
Information
Konzept: Tanya Ury
Kamera und Bildbearbeitung: David Janecek
Präsentation
2003 (21.9 – 4.1.) Gruppenausstellung, Das Recht des Bildes, Jüdische Perspektiven in der Modernen Kunst (The Right of the Image, Jewish Perspectives in Modern Art), Museum Bochum (D)
2007 (11.3. – 9.4.) Connected, Gruppenausstellung, Eröffnung 12 Uhr, Jüdische Kulturtage, Altes Museum im BIS-Zentrum Mönchengladbach www.connected-mg.de (D)
2007 (23.3) Auf der online Feminist Art Base (Datenbank für feministische Kunst) www.brooklynmuseum.org… The Elizabeth A. Sackler Center for Feminist Art, The Brooklyn Museum, New York (USA)
Publikationen & Presse
Die Kraft der Weiblichkeit – Eine enorme Bandbreite von Kunst hat Hubertus Wunschik in einer Gruppenausstellung internationaler Künstler im Alten Museum versammelt. Die Ausstellung „Connected“ verbindet Werke jüdischer und nicht-jüdischer Provenienz.
Von Dirk Richerdt – Samstag 10. März 2007 RHEINISCHE POST
„Einen Blickfang schon im Entrée des Bürgerhauses bilden die Fotomontagen von Tanya Ury. Die 55-jährige jüdische Künstlerin, in London geboren, die seit 1993 in Köln lebt, hat eine Serie dialogischer Selbstporträts geschaffen: Zu sehen ist Ury zusammen mit ihren Vorfahren, darunter der deutsche impressionistische Maler Lesser Ury und die deutsch-jüdische Schriftstellerin Else Sara Ury. Und dann taucht Albert Einstein auf. Mit dem Wissenschaftler ist Tanya Ury zwar nicht verwandt, aber das Bild mit dem Pfeife schmauchenden Forscher und der Künstlerin daneben, die in gleicher Art wie Einstein eine (Pfeife) hält, hat skurille Ausstrahlung. Direkt neben der ernst gemeinten Darstellung persönlicher Geschichte blitzt die Humoreske auf. Tanya Urys mit Plexiglas verschweißte Fotos nehmen der Ausstellung so eine gewisse Ernstlastigkeit…“
***
2008 (11) Über lesser is me more or less wird in einem Artikel über Tanya Ury von Hartmut Bomhoff in der monatlich erscheinenden “Jüdischen Zeitung” Berlin diskutiert (D) Artikel als PDF www.j‑zeit.de
2019 (12) Tanya Ury’s artworks are discussed, as well as those of several other German artists, by Peter Chametzky, with images of lesser is me more or less, Who’s Boss: Röslein Sprach…, Who’s Boss: Art Prize Nr.4, and Who’s Boss: Hair Shirt Army (photo documentation, at the exhibition opening in EL-DE-Haus 2014, Cologne, by Peter Chametzky), in “’Turks, Jews, and Other Germans in Contemporary Art’: An Introduction,” The Massachusetts Review (60th Anniversary Issue), vol. 60⁄4 (Winter 2019): p. 655 – 681. massreview.org/sites/d… (USA)