lesser is me more or less

Eine mit Plexi­glas verschweißte und montierte (MDF) Photo­gra­phie: Höhe 64 cm x Breite 90 cm (Edition 7)

Versi­che­rungs­wert 2.000 Euro

lesser is me more or less zeigt auf der rechten Seite des Bildes die Künst­lerin Tanya Ury in einer Drei­viertel-Ansicht. Digital in die Photo­gra­phie einge­baut, auf der linken Seite, ihr gegen­über, befindet sich der deut­sche Impres­sio­nist Lesser Ury, Tanya Urys Ur-Groß­onkel, in Gestalt einer Repro­duk­tion seines Selbstportät(s) mit Dunklem Hut’ (6440 cm) aus dem Jahr 1914. Zu dieser Zeit war Lesser Ury 53 Jahre alt und auf der Höhe seiner Schaf­fens­kraft. In diesem Doppel­Por­trät sind die beiden Urys mehr oder weniger gleich­altrig, Tanya ähnelt Lesser in Klei­dung und auch Haltung und ahmt seinen Gesichts­aus­druck nach. In der Mitte von lesser is me more or less, sozu­sagen die beiden Bild­hälften mitein­ander verbin­dend, ist die Darstel­lung einer Narbe und mensch­li­chen Narben­ge­webes zu sehen.


Doppel-Porträts – Eine Werkserie:

Lesser Ury machte sich in den 80er Jahren des neun­zehnten Jahr­hun­derts einen Namen mit seinen Bildern von Berliner Stra­ßen­szenen, die ein Berlin auf dem Weg zur Moderne zeigen. Ury war jüdisch und gläubig. Einige seiner Gemälde, die bibli­sche Themen zum Inhalt haben, sind weniger bekannt. Es war sein Glück, dass er 1931 gestorben ist, und somit den Nieder­gang Deutsch­lands und die Vernich­tung des jüdi­schen Volkes nicht miter­leben musste. Nach seinem Tod blieb das Schicksal seines Oeuvres zunächst in der Schwebe; es wurde von den Nazis als entartet“ dekla­riert und viele seiner Werke wurden zerstört. Ein großer Teil wurde jedoch von Privat­samm­lern vor dem Zugriff der Nazis gerettet, indem sie Arbeiten versteckten oder sie auf dem Wege der Emigra­tion nach England, USA und Israel mitnahmen.

In den 30er Jahren flohen Tanya Urys Eltern aus Nazi Deutsch­land nach England, wo sie geboren wurde und bis 1993 lebte, um danach als Künst­lerin nach Deutsch­land zu ziehen. Nach dem Krieg war Lesser Urys Werk weit­ge­hend in Verges­sen­heit geraten. Nur dank dreier Retro­spek­tiven, die in Berlin (1995 und 2002 im Käthe-Koll­witz Museum, und 2002 im Centrum Judaicum) gezeigt wurden, war es Tanya Ury möglich, Lesser Urys Werk, das aus vielen verschie­denen Ländern zusam­men­ge­tragen worden war, kennen zu lernen.

In den 89 Jahren, die die beiden auf dem photo­gra­phi­schen Porträt abge­bil­deten Urys von einander trennen, haben zwei Welt­kriege statt­ge­funden; Deutsch­land wurde geteilt und wieder vereint. Berlin erlebt heute eine Wieder­ge­burt und erfährt einen Aufschwung, der mit demje­nigen am Ende des neun­zehnten Jahr­hun­derts (Fin de Siècle) vergleichbar ist; als Folge davon sind Lesser Urys Berlin-Ansichten wieder gefragt. In den letzten Jahren sind nach und nach jüdi­sche Künstler nach Deutsch­land gekommen, um dort zu leben und zu arbeiten. Ob diese Wieder­be­le­bung jüdi­scher Kultur in Deutsch­land über­haupt möglich ist, und ob ein solcher an fran­ken­stein­ähn­li­cher Versuch nicht zum Schei­tern verur­teilt ist, diese Frage stellt lesser is me more or less.

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Auch andere Kunst­ar­beiten Urys lassen sich als visu­elle Poesie“ verstehen. Moving Message 1992, beinhaltet ein LED-Display mit den Wörtern: you are why; Sonata in Sea 1999 – 2000 ist eine Photo­serie kombi­niert mit Poesie und wrest­le­wi­th­y­ou­rangel 2001 ist ein Neon­leucht­zei­chen, das zusammen mit dem Neon­zei­chen neonazi 2001 ange­fer­tigt wurde; der Titel eines Photo-Doppel-Porträts lesser is me more or less 2003 spielt auf den Namen von Lesser Ury an, den deut­schen Post-Impres­sio­nisten, sowie auf den Titel eines weiteres Doppel-Porträts or else 2007, der auf die deut­sche Autorin Else Ury deutet. Der Titel eines dritten Porträt-Photos Beel­ze­bu­larin 2005 (in der Serie Promised Land) entschlüs­selt sich als Anagram des bibli­schen Bezalel Ben Uri“. half dimen­sional – semi detached 2010 schließ­lich kombi­niert das erste der half dimen­sional poems mit der Photo­gra­phie semi detached.


concrete – Eine Werkserie (Beinhaltet Gedichtreihen)

Infor­ma­tion
Konzept: Tanya Ury
Kamera und Bild­be­ar­bei­tung: David Janecek




Präsen­ta­tion

2003 (21.9 – 4.1.) Grup­pen­aus­stel­lung, Das Recht des Bildes, Jüdi­sche Perspek­tiven in der Modernen Kunst (The Right of the Image, Jewish Perspec­tives in Modern Art), Museum Bochum (D)
2007 (11.3. – 9.4.) Connected, Grup­pen­aus­stel­lung, Eröff­nung 12 Uhr, Jüdi­sche Kultur­tage, Altes Museum im BIS-Zentrum Mönchen­glad­bach www​.connected​-mg​.de (D)
2007 (23.3) Auf der online Femi­nist Art Base (Daten­bank für femi­nis­ti­sche Kunst) www​.brook​lyn​mu​seum​.org… The Eliza­beth A. Sackler Center for Femi­nist Art, The Brooklyn Museum, New York (USA)


Publi­ka­tionen & Presse

Die Kraft der Weib­lich­keit – Eine enorme Band­breite von Kunst hat Hubertus Wunschik in einer Grup­pen­aus­stel­lung inter­na­tio­naler Künstler im Alten Museum versam­melt. Die Ausstel­lung Connected“ verbindet Werke jüdi­scher und nicht-jüdi­scher Provenienz.

Von Dirk Richerdt – Samstag 10. März 2007 RHEINISCHE POST

Einen Blick­fang schon im Entrée des Bürger­hauses bilden die Foto­mon­tagen von Tanya Ury. Die 55-jährige jüdi­sche Künst­lerin, in London geboren, die seit 1993 in Köln lebt, hat eine Serie dialo­gi­scher Selbst­por­träts geschaffen: Zu sehen ist Ury zusammen mit ihren Vorfahren, darunter der deut­sche impres­sio­nis­ti­sche Maler Lesser Ury und die deutsch-jüdi­sche Schrift­stel­lerin Else Sara Ury. Und dann taucht Albert Einstein auf. Mit dem Wissen­schaftler ist Tanya Ury zwar nicht verwandt, aber das Bild mit dem Pfeife schmau­chenden Forscher und der Künst­lerin daneben, die in glei­cher Art wie Einstein eine (Pfeife) hält, hat skur­ille Ausstrah­lung. Direkt neben der ernst gemeinten Darstel­lung persön­li­cher Geschichte blitzt die Humo­reske auf. Tanya Urys mit Plexi­glas verschweißte Fotos nehmen der Ausstel­lung so eine gewisse Ernst­las­tig­keit…“ 

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2008 (11) Über lesser is me more or less wird in einem Artikel über Tanya Ury von Hartmut Bomhoff in der monat­lich erschei­nenden Jüdi­schen Zeitung” Berlin disku­tiert (D) Artikel als PDF www.j‑zeit.de
2019 (12) Tanya Ury’s artworks are discussed, as well as those of several other German artists, by Peter Chametzky, with images of lesser is me more or less, Who’s Boss: Röslein Sprach…, Who’s Boss: Art Prize Nr.4, and Who’s Boss: Hair Shirt Army (photo docu­men­ta­tion, at the exhi­bi­tion opening in EL-DE-Haus 2014, Cologne, by Peter Chametzky), in “’Turks, Jews, and Other Germans in Contem­po­rary Art’: An Intro­duc­tion,” The Massa­chu­setts Review (60th Anni­ver­sary Issue), vol. 604 (Winter 2019): p. 655 – 681. mass​re​view​.org/​s​i​tes/d… (USA)

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