Eine Serie von 9 Photographien, jede jeweils 60 x 90 cm (Edition 7), FineArt-Bond – Digitaler Pigmentdruck, Kaschierung 3mm Dibond Laminat
Versicherungswert jeder Photographie: 2000 Euro
Versicherungswert jedes einzelnen A4-Druckes, digitaler Pigmentdruck – classic auf 190gr Satinpapier: 400 Euro (Edition 7)
Artistic Freedom Nr. 2, als A4-Druck in 5 Mappen, zum Verkauf mit weiteren Photos aus der Ausstellung Lost in Interiors, Berlin (D)
Preis für Mitglieder 400 Euro, Nichtmitglieder 650 Euro
Konzept und Performance: Tanya Ury
Kamera: Wayne Yung
Digitale Bearbeitung: Ingolf Pink
Doppel-Porträts – Eine Werkserie:
- Hermes Insensed 2000 – 2001
- Franco and Elke J. 2002
- lesser is me more or less 2003
- Your Rules 2004
- or else 2007
- Du bist Einstein 2007
- doo bee doo 2007
- Artistic freedom 2013
Diese 9 Photographien, aufgenommen in den Räumlichkeiten eines ehemaligen Berliner Gefängnisses sind zugleich digital zusammengestellte Selbstdarstellungen, auf denen Tanya Ury zweimal erscheint, erst als Täter und dann wieder, nackt, als Opfer. Andeutungen weisen in mehrere Richtungen: das geteilte Selbst in einem Deutschland, das nach einer rechtsextremen Tyrannei getrennt und nach einer autokratischen linken Diktatur zusammengeführt wurde – der Fremde in mir, in uns…
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17. – 19. Mai 2013 nahm ich an „Lost in Interiors“ teil, einem Photoworkshop, mit der einmaligen Gelegenheit, die Räumlichkeiten des ehemaligen Stasi-Untersuchungsgefängnis Hohenschönhausen in Ost-Berlin zu dokumentieren.
“Nach der Wende entdeckte Dokumente enthüllen durch die 1980er Jahre hindurch sorgfältige Pläne für die Überwachung, Festnahme und Inhaftierung von 85,939 Ostdeutschen, die namentlich aufgeführt waren.”1
Am ersten Tag des 3‑tägigen Workshops wurde den Teilnehmern, zusammen mit weiteren Besuchern des Gefangenenlagers, ein Film gezeigt, der die Geschichte der DDR und ihres Schreckensregimes darstellte. Dieser Vorführung folgte ein Rundgang durch die Strafvollzugsanstalt, mit einem Führer – Harry Santos – der seinerzeit dort als 27-Jähriger für 2 Jahre lang eingesessen hatte.
Nachdem ich seine Geschichte gehört habe, erzählt mit einer Intensität und einem Pathos, die ich selten miterlebt hatte, änderte ich meine Ideen für das Photoshooting am folgenden Tag. Meine ursprüngliche Intention war, das Konzept eines westdeutschen Photo-Workshops in einem Stasi-Gefängnis zu parodieren. Doch haben mich Santos’ Zeugnis und das Erlebnis, die Flure und vier Wände zu betreten, in denen Intellektuellen eingesperrt wurden, zu einer Kunstarbeit motiviert, die den Internierten und ihren Traumata angemessen ist. Statt einfach den Ort der Tortur durch die SED in Deutschland (1949−1989) zu dokumentieren, entschied ich, photographisch nachgestellte Szenen zu inszenieren, in denen ich als Täter und Opfer erscheinen würde: zum einen als Gefängniswärterin oder Vernehmungsbeamte, die Mode-Camouflage im Militär-Look trägt, dann aber auch nackt als Gefangene.
“Mielkes Einrichtung, die hauptsächlich gegen seine eigenen Mitbürger gerichtet war, war anderthalbmal so groß wie die reguläre Armee der DDR.
Nach der Wende nannten die deutschen Medien Ostdeutschland ‚den ausgereiftesten Überwachungsstaat aller Zeiten’. Zum Ende hin hatte die Stasi 97.000 Mitarbeiter – mehr als genug, um ein Land von siebzehn Millionen Menschen zu beaufsichtigen. Aber es gab auch über 173.000 Informanten in der Bevölkerung. In Hitlers Drittem Reich nimmt man einen Gestapo-Agenten für je 2.000 Bürger an und in Stalins UdSSR war es ein KGB-Agent pro 5.830 Menschen. In der DDR war ein Stasi-Offizier oder Informant für dreiundsechzig Leute zuständig. Wenn Teilzeit-Informanten einbezogen werden, kommen manche Einschätzungen zu dem hohen Verhältnis von einem Informanten pro 6,5 Bürger.“2
Die Gefangenen in Hohenschönhausen waren „Politische“ – psychologische Verhörmethoden wurden konzipiert, um die Persönlichkeit zu brechen, so dass diese Schriftsteller, Künstler und Musiker, unverzüglich ihren politischen Aktivismus unterlassen würden. Santos deutete an, dass dies funktionierte. Während der Verhöre waren Fragen nicht notwendigerweise erforderlich: „Sie waren in ihrem Ziel, wasserdichte Geständnisse zu bekommen, nicht zu stoppen. (…) Man war lieber brav“, versicherte er uns, und: „Leute, die geschrien haben, bekamen extra Freiheitsstrafe.“ Harry gab zu, dass er kein Held war.
Der Dokumentarfilm offenbarte die Verwendung eines Röntgengeräts, das hinter einem Befragungsstuhl versteckt war – ungefähr einhundert Gefangene, die Radioaktivität ausgesetzt wurden, starben später an Leukämie. Die Ostdeutsche Diktatur gestattete Folter; in manchen Zellen blieb das Licht Tag und Nacht an. Andere Zellen wurden von mehreren Gefangenen bewohnt, die zusammen auf einer Holzpritsche ohne Matratzen schliefen; sie durften sich nicht anlehnen oder hinlegen: falls sie Weisungen nicht folgten, wurden die Lichter ausgeschaltet. In Harry Santos’ Worten war die Angst absolut, weil niemand wusste, was als Nächstes passieren würde. Menschen wurden im Anstaltskrankenhaus unter Drogen gesetzt. Santos zeigte uns einen Raum, in dem Waterboarding durchgeführt wurde, und er berichtete von Scheinhinrichtungen mit Platzpatronen: „Das hinterlässt keine sichtbaren Spuren. Man kann es nicht nachweisen.“
Santos berichtete auch von anderen Erniedrigungen, denen die Häftlinge unterworfen waren: „Wir wurden kriminalisiert – wir waren aber keine Verbrecher.“
Bei der Ankunft mussten sich alle Häftlinge, ob männlich oder weiblich, nackt ausziehen und einer Leibesvisitation unterziehen; sie wurden regelmäßig auf den Flur gebracht, um dort nackt, die Arme an die Wand gelehnt, für einen langen Zeitraum zu stehen. Eine Sequenz des historischen Materials im Dokumentarfilm „Zentrale des Terrors“, von Helmuth Frauendorfer und Hubertus Knabe (2003) zeigt, wie man eine Gefangene heimlich filmte, während sie sich auszog.
Die Photoserie erinnert an den Missbrauch, der in Hohenschönhausen vor etwa 25 Jahren stattfand, aber auch an institutionalisierte Folter und Erniedrigung, die heute noch in vielen Regionen der Welt üblich sind – die Bilder beziehen sich auf die skandalösen, von Gefängniswächtern aufgenommenen Photos aus dem US-Foltergefängnis Abu Ghraib in Iraq.
Ich nenne die Serie Artistic Freedom – Künstlerische Freiheit, weil sie auf die Freiheit anspielt, die den politischen Gefangenen in Hohenschönhausen verweigert wurde. Doch hier erlaube ich mir selbst auch künstlerische – das heißt: dichterische – Freiheit, wenn ich die Rollen von Täter und Opfer in dieser Umgebung darstelle. Meine Motivation für die Photoserie war, die Verhaltens-Konstrukte, die von diesem und anderen tyrannischen Regimen gefördert werden, zu verstehen, indem ich sie verkörpere. In seinem Schreiben über den Fremden in uns interpretiert Arno Gruen die Psychologie dieser Verhalten-Prozesse präzise:
„Der Fremde in uns. Das ist der uns eigene Teil, der uns abhandenkam, und den wir Zeit unseres Lebens wiederzufinden suchen. In unserer Kultur ist es üblich, dass man in seinem Kindsein zurückgewiesen wird, wenn man den Erwartungen der Erwachsenen nicht entspricht. Gleichzeitig darf ein Kind nicht leben, als ob es wertlos sei, denn das würde dem Mythos widersprechen, das wir alles aus Liebe zu ihm tun, und alles zu seinem Besten geschieht. So wird das Opfersein zur Quelle des unbewussten Zustandes, indem das eigene Leben, als etwas, fremdes, ausgestoßen und verleugnet werden muss. Diesen Teil von sich wird der Mensch fortan suchen. Ohne sich dessen bewusst zu sein. Es ist dieses Suchen, das uns zum Verhängnis wird.
Klaus Barbie, der Gestapo-Schlächter von Lyon, der den französischen Widerstandskämpfer Jean Moulin zu Tode gefoltert hat, sagte in einem Interview mit Neal Ascherson (1983): ‚Als ich Jean Moulin vernahm, hatte ich das Gefühl, dass er ich selber war.’
Das heißt: Was der Schlächter seinem Opfer antat, tat er in gewisser Weise sich selbst an. Worauf ich hinaus will, ist dies: Fremdenhass hat auch immer etwas mit Selbsthass zu tun. Wenn wir verstehen wollen, warum Menschen andere Menschen quälen und demütigen, müssen wir uns zuerst mit dem beschäftigen, was wir in uns selbst verabscheuen. Denn der Feind, den wir in anderen zu sehen glauben, muss ursprünglich in unserem eigenen Innern zu finden sein. Diesen Teil von uns wollen wir zum Schweigen bringen, indem wir den Fremden, der uns daran erinnert, weil er uns ähnelt, vernichten. Nur so können wir fernhalten, was uns in uns selbst fremd geworden ist. Nur so können wir weiter aufrecht gehen.“3
Tanya Ury 2013
Postskriptum:
Nachdem im September 2014 Fälle von Misshandlungen durch Sicherheitskräfte in einem NRW-Flüchtlingsheim bekannt wurden, gab es auch in Essen und Bad Berleburg Meldungen über weitere Vorkommnisse. Die Photos, aus der Asylunterkunft im nordrhein-westfälischen Burbach, die durch die Presse gingen, erinnern an die Ausschreitungen im irakischen Abu-Graib Gefängnis 2004 und bestätigen, dass heutzutage in Deutschland wieder gefoltert wird – eine Tatsache, die äußerst verstörend ist.
Auf einem (…) Foto, das mit dem Handy gemacht wurde, liegt ein Mann bäuchlings auf dem Boden, seine Hände sind am Rücken gefesselt. Ein Wachmann stellt seinen Fuß auf den Kopf, einer anderer kniet daneben. Es sind Szenen wie in Abu Ghraib, dem berüchtigten US-Foltergefängnis im Irak. Doch diese Quälerei ist in Deutschland geschehen, wo die Flüchtlinge Schutz suchten.4
1 S. 62 “Stasiland – Stories From Behind the Berlin Wall“, Anna Funder 2003, Granta Books 2003 (GB ISBN978 1 84708 335 7: (Notizen über Quellen S. 284, aus ‘Vorbereitung auf den Tag X – Die geplanten Isolierungslager des MfS’ von Thomas Auerbach und Wolf-Dieter Sailer, BstU, 1995): (Übersetzung Tanya Ury und Amin Farzanefar)
2 S.56 – 57, EBd 1 (Notizen über Quellen S. 283: genauere Angaben über KGB-Agenten in der Sowjetunion, Gestapo-Belegschaft im Dritten Reich sowie Angestellte und Agenten der Stasi, siehe John O. Koehler, Stasi: The Untold Story of the East German Secret Police, Westview Press, Boulder CO, 1999, pp.7 – 8. Über Erich Mielkes Leben, siehe Jochen von Lang, Erich Mielke: Eine deutsche Karriere, Rohwolt, Reinbek bei Hamburg, 1993; Koehler, pp. 33 – 72. Zu Mielkes berühmte Parlamentsrede siehe Der Spiegel 46⁄1999 (15. November 1999), ‚Wende und Ende des SED-Staates (8)’, auf www.spiegel.de/spiegel. Diese Rede ist auch auf ddr.im-www.de/Geschich… publiziert. Mielkes Erklärungen über Verräter und Hinrichtung stammen aus dem TV-Dokumentarfilm Die Stasi-Rolle: Geschichten aus dem MfS von Stefan Aust, Katrin Klöcke, Gunther Latsch und Georg Mascolo, Spiegel TV, 1993.)
3 Der Fremde in uns – Authentisch leben durch Empathie – Ein Vortrag von Arno Gruen auf den Lindauer Psychotherapiewochen 2009, DVD: Auditorium Netzwerk
Präsentation
2014 (5.07 – 12.10.2014) Tanya Ury präsentiert 7 aus Artistic Freedom – Künstlerische Freiheit, einer neunteiligen Serie über das ehemalige Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen, als Teil von „Lost in Interiors – Photographische Positionen zur politischen Haft”, einer Gruppenausstellung zum Programm: „25 Jahre Mauerfall“ in Berlin. Eröffnung: 19 Uhr, 4. Juli, Projektraum – PhotoWerkBerlin, c/o Kommunale Galerie Berlin, Hohenzollerndamm 176, 10713 Berlin (D). 5 Mappen – beinhaltend 5 A4-Drucke aus Artistic Freedom – Künstlerische Freiheit – werden in die Galerie verkauft. Zur Eröffnung (20 Uhr) begleitet Kasander Nilist am Kontrabass Tanya Urys Gedichtimprovisation zu dem historischen Thema (Englisch & Deutsch) mit frei improvisierter Musik.
2014 (2.12.) Die Performance „Lost in Interiors“ zum Programm: „25 Jahre Mauerfall“ in Berlin über das ehemalige Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen, 4. Juli in der Kommunalen Galerie, Berlin, das Gedichtimprovisation (Tanya Ury) zu dem historischen Thema (Englisch & Deutsch) mit frei improvisierter Musik (Kasander Nilist, Kontrabass), einschließt, kann man auf Vimeo unter diesen Link sehen:
2015 (18.1−15.2) Tanya Ury präsentiert Artistic Freedom, 9 Photos und ein etwa sechsstündiges Loop, der mit Texten als Audio-Performance und visueller konkreter Poesie von Tanya Ury für Projektion bzw. Bildschirm produziert wurde. In „Der Fremde in Mir”, eine von René de Rooze kuratierten Gruppenausstellung, mit einer Einführung von David Stroband von der Kunstakademie Minerva Groningen findet zur Eröffnung eine Performance von Tanya Ury (Text) und Kasander Nilist (Kontrabass) – improvisierte Poesie mit improvisierter Musik zu dem Ausstellungsthema, 15 Uhr in der SMAHK-Galerie, Assen (NL) statt.
2016 (9) Tanya Ury präsentiert Artistic Freedom, 5 (Nrs. 1, 2, 4, 5, 9) aus einer Serie von 9 projizierten Photos in „Menschenräume“ (Eröffnung am Freitag, 23. September ab 19 Uhr), kuratiert von 68elf, im Rahmen der “Internationalen Photoszene Köln 2016”, Kunstgelände Odonien Hornstrasse 85, D‑50825 Köln, (D)
issuu.com/norgoe/docs/…
Publikationen & Presse
2014 (14.7) Thomas Schubert schreibt in der „Berliner Woche online“ über „Lost in Interiors – Photographische Positionen zur politischen Haft”. Die Gruppenausstellung (5.07 – 12.10.2014) über das ehemalige Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen findet im Rahmen des Programmes „25 Jahre Mauerfall“ im Projektraum „PhotoWerkBerlin“ der Kommunalen Galerie Berlin statt. Schubert berichtet auch unter anderem, über Tanya Ury & Artistic Freedom – Künstlerische Freiheit, 7 Photoarbeiten.
www.berliner-woche.de/…/46553-kommunale-galerie-eroeffnet-neue-ausstellung/
2015 (12. – 15.3.) Nr. 7 & 9 aus der Photoserie Artistic Freedom – Künstlerische Freiheit, präsentiert auf dem Messestand des Büchergilde Gutenberg artclub auf der Leipziger Buchmesse (D)
2015 (2) Tanya Urys Photoserie Artistic Freedom wurde mehrfach von Wolfgang Grätz besprochen, zum einen auf der Webseite der Büchergilde Buchhandlung Ffm sowie im Artclub Journal Nr. 73, photographische Edition. (D)
www.buechergilde.de/tl… und www.grafikbrief.de/kue…
Künstler Schriften & Publikationen
2015 (1.4. – 30.6.) Artistic Freedom Nr. 7 & Nr. 9, jede jeweils 35 x 23,5 cm (Edition 20), Fotolaserbelichtung, glänzend, präsentiert zum Verkauf im Mitglieder-Magazin der Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main, (D) Preis für Mitglieder 400 Euro, Nichtmitglieder 650 Euro
2016 (9.) Tanya Urys Photo Nr. 02 aus die Serie Artistic Freedom. Veröffentlicht mit einem Text, S. 155 – 158 in the Bet Debora Journal III – Engendering Jewish Politics – Frauenpolitik für ein Modernes Judentum, Deutsch Englisch, Hentrich & Hentrich Verlag Berlin ISBN 978−3−95565−131 (D)
2016 (9.) Tanya Ury’s photos nos. 1, 2, 4, 5, 9, from the series Artistic Freedom published with a text, pages 201 – 204 of the catalogue to “Menschenräume” (Human Spaces) “International Photoscene Cologne 2016” (D)
issuu.com/norgoe/docs/…
2018 (10) Bilder und Text – Tanya Urys Photoserie Artistic Freedom (Nr. 9), veröffentlicht in der Buch-Publikation „Shifting Corporealities in Contemporary Performance — Danger, Im/mobility and Politics” („Wechselnde Körperrealitäten in den zeitgenössischen darstellenden Künsten – Gefahr, Im/Mobilität und Politik“). Avant-Gardes in Performance, Palgrave Macmillan. Hrg: Aneta Stojnić and Marina Gržinić ISBN 978−3−319−78342−0 (UK) www.palgrave.com/de/bo…