(In Arbeit)
Seit November 1992 sammelt Tanya Ury ihre natürlich ausgefallenen Haare in kleinen, mit einem handgeschriebenen Datumsetikett versehenen Plastiktüten (90mm x 115mm). Anfangs wurden diese Tüten von ihr zu großen Plastikplanen zusammengenäht, die Duschvorhängen ähnelten – ein Vorhang jedes Jahr für die Installation Golden Showers 1993 – 99. Who’s Boss: Hair Shirt ist aus Plastiktütchen mit Haaren aus Urys Kollektion angefertigt. Als Kleidungsstück ist es unwahrscheinlich und unpraktisch – etwas zwischen Duschvorhang und Matratzen-Füllstoff (unter Hitler sammelten die Nazis das geschorene Haar weiblicher KZ-Insassen, um damit Matratzen auszustopfen). Zugleich ist auch der Prototyp eines Luftwaffenmantels, das dem Hugo Boss-Ledermantel, Wintermode 1998 – 99, ähnelt – oder es ist wörtlich-wortspielerisch ein ‚hair shirt’, ein „härenes Gewand“ – in der englischen wie auch in der deutschen Sprache ein Ausdruck der Wiedergutmachung und Buße.
Die Tatsache, dass der erste Erfolg eines renommierten Modehauses Hugo Boss, der Unterstützung einer faschistischen Kriegsmaschine verdankt, sowie der Ausbeutung von Zwangsarbeitern während der Kriegsjahre, wirft tief greifende Fragen auf, über die Beziehungen zwischen Mode und Militärmode, Mode und Politik.
Eine Hair Shirt Army (Armee-des-härenen-Gewands) wurde aus den Plastiktütchen mit Haaren aus Urys Kollektion angefertigt.
Ein Projekt, das Ury in der Zukunft realisieren möchte, korrespondiert mit der Bearbeitung von selbst erzeugtem Material für ein kaum wahrnehmbares Archiv. Es betrifft die Fabrikation einer anderen Art von Kleidungsstück, bei der man zwei Schichten von Plastikplane zusammennäht, die Haar beinhalten, welches Ury über die Jahre hinweg bei vielen Friseurbesuchen gesammelt hat. sweatshop würde aus Kleider-Designs bestehen, die auf historischen Muster der 70er und 80er Jahre beruhen: Es würde Aufmerksamkeit auf die zeitgenössischen Sweatshop-Aktivitäten der Hugo Boss AG in Bangladesch lenken und so eine Parallele ziehen zu den ausbeuterischen Aktivitäten des Konzerns vor und während des Zweiten Weltkriegs, als er Zwangsarbeiter beschäftigte, sowie zu den aktuellen Machenschaften der gleichen Firma.
Gisela Burkhardt hat die heutigen Sweatshop-Praktiken der Hugo Boss AG für ihr Buch „Todschick. Edle Labels, billige Mode – unmenschlich produziert“ recherchiert.
BZ: Sie beschreiben in Ihrem Buch den Arbeitstag einer 23-jährigen Näherin, die für Hugo Boss und Tommy Hilfiger in Chittagong arbeitete. Wie sah deren Tag aus?
Burckhardt: Diese Näherin stand früh auf, kochte für die kleine Tochter und brachte sie zur Schule. Dann ging sie in die Fabrik, wo die Arbeit um acht Uhr begann. Ein normaler Arbeitstag inklusive Überstunden dauerte bis 19 Uhr, manchmal war die Schicht aber auch erst um 21 Uhr oder noch später zu Ende. Das sind sehr schwierige Bedingungen für alleinerziehende Mütter. Eigentlich handelt es sich um Zwangsarbeit. Denn die Frauen müssen die Überstunden ableisten. Tun sie es nicht, riskieren sie ihre Arbeitsplätze. Zweitens sind die Löhne so niedrig, dass die Beschäftigten ohne zahlreiche Überstunden nicht über die Runden kommen.
BZ: Mehr als 60 Stunden pro Woche sollen Beschäftigte gültigen internationalen Konventionen zufolge nicht arbeiten. Wird diese Grenze in der Produktion für Hugo Boss eingehalten?
Burckhardt: Nein, wir haben festgestellt, dass Näherinnen auch bei den Boss-Zulieferern 70 oder 80 Stunden wöchentlich in der Fabrik waren.
BZ: Reicht der Lohn dann für ein erträgliches Leben?
Burckhardt: Im vergangenen Jahr betrug der Mindestlohn in Bangladesch umgerechnet 30 Euro pro Monat, nun sind es knapp 50 Euro. Die Hälfte dieser Einkünfte brauchen die Arbeiterinnen für die Miete ihrer Wohnung. Der Rest reicht nur für die Grundbedürfnisse. Die dortige Gewerkschaft sagt, mindestens der doppelte Lohn sei nötig, um eine Familie zu ernähren.
BZ: Hugo Boss erklärt, Sie hätten mit der Firma keinen Kontakt aufgenommen, bevor Sie Ihr Buch veröffentlichten. Stimmt das?
Burckhardt: Ja, das ist richtig. Warum hätte ich die Firma kontaktieren sollen? Mir ging es darum, ein strukturelles Problem aufzuzeigen. „Eigentlich ist es Zwangsarbeit„1
1 BZ-INTERVIEW (Hannah Koch) mit der Buchautorin Gisela Burckhardt – Todschick. Edle Labels, billige Mode – unmenschlich produziert. Heyne-Verlag –, die sagt: Beim Nähen teurer Textilien geht es den Arbeiterinnen nicht besser. Montag, 9. Februar 2015, veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der Badischen Zeitung www.badische-zeitung.d…
Who’s Boss – Eine Werkserie:
- Art Prize
- Boss Rune
- Hair Shirt
- Hair Shirt Army – Armee des härenen Gewandes
- Röslein Sprach…
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