Video 34 Min Beta SP, PAL 4:3
Dokumentation einer Performance mit Rolf Steiner
Hochbunker Köln-Ehrenfeld (D) 9.11.2002
2005
Trailer 6 Minuten
Preis: DVD – 50 Euro
Jacob’s Ladder – Eine Werkserie:
- Roman Svastika
- Tantric Snakes and Ladders
- Jacob’s Ladder – a Cybersexual Parable
- Franco and Elke J.
- Fashion Victim
- Barbie and Klaus
- Jacob’s Ladder
- Swastikas and Stars
- wrestlewithyourangel
- neonazi
- Blind Spot
- Red Hot Pokers
- Transcending the Ladder
- Jack the Ladder
Red Hot Pokers ist eine in der Vorstellung existierende Interaktion zwischen dem Diktator Adolf Hitler und dem Philosophen Ludwig Wittgenstein. Tanya Ury und Rolf Steiner lesen auf Englisch willkürlich ausgewählte Auszüge, aus „Mein Kampf“ 1924 und „Bemerkungen über Farben“ (Remarks on Colour) 1950, geschrieben in England.
Während des Dritten Reiches wurde jede deutsche Familie durch den Staat mit einem Exemplar von „Mein Kampf“ versorgt; in Deutschland sind Verkauf und Besitz dieses Buches heutzutage ebenso verboten, wie die öffentliche Lesung. Für ihre Performance verwendet Tanya Ury eine in Kroatien gedruckte und in Slowenien gekaufte deutschsprachige Kopie.1
Der Kontraste zwischen den zwei Texten, der erste eine mächtige politische Propaganda, der andere eine blumige Sprachphilosophie, ist gewaltig –offensichtlich wird, dass Sprachspiele keine Macht gegen die Tyrannei haben können; die resultierende Performance, ob auf Englisch oder in Deutsch gespielt (auf Deutsch mit Kristof Szabo, 16.12.2007, Kunstbunker Tumulka, München) ist bezaubernd absurd, die Verfremdung des auf Englisch zitierten „Mein Kampf“ dennoch äußerst bezwingend.
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Hitler und Wittgenstein gingen beide als 14-Jährige in die gleiche Schule im österreichischen Linz; beide wurden auch in Abstand von 6 Tagen geboren, der eine am 20.4.1889 und der andere am 26.4.1889.
In Urys Performance wird Karl Popper, der Wettstreiter für um die philosophische Krone, durch Adolf Hitler ersetzt. 1946 fand in einem Seminar des Moral Science Club ein berüchtigtes Poker-Spiel der Wörter zwischen Wittgenstein und Popper statt. Es war das einzige Zusammentreffen, der beiden österreichisch- jüdischen Emigranten.
Dabei ergriff Wittgenstein, der seine Gedanken zu illustrieren versuchte, ein heißes Schüreisen aus dem Feuer (im englischen ‚Poker’ genannt) und schien Popper damit zu bedrohen. Während sie ihre Dominanz in den Sphären der Philosophie demonstrieren wollten, erinnerten Wittgenstein und Popper einander an die Nutzlosigkeit der Philosophie im Anblick von Hitlers brutaler Macht. Aber war das der wirkliche Grund ihres Streits?
Die dokumentierte Performance fand bei der Finissage von Tanya Urys Ausstellung Jacob’s Ladder in dem Hochbunker Köln-Ehrenfeld am 09.11.2002 statt, dem Jubiläum der Reichskristallnacht. Der Bunker war auf dem Ort errichtet worden, wo früher eine Synagoge stand, die 1938 in der Reichskristallnacht zerstört wurde.
The Poker Game, eine weitere Performance Tanya Urys, in der sie die Rollen von Hitler und Wittgenstein spielt, entwickelt die Themen von Red Hot Pokers weiter.
1 Gegen Ende einer USA-Reise in 2008 war ich überrascht, in dem New York Buchladen „Borders Airport Stores“ unter einigen anderen Bestsellern mehrere Kopien der englischen Version von „Mein Kampf“ zu finden. T.U.
„Unsere Annahme besteht darin, dass dieser ‚eine jüdische Knabe’, auf den sich Hitler in ‚Mein Kampf’ bezieht – dieses allererste Glied in der Kette des Hasses -, niemand anderes war als Ludwig Wittgenstein.
Wie wahrscheinlich ist es, dass Hitlers unbekannter Jude wirklich Wittgenstein war? McGuiness schreibt, dass es nur ‚eine Handvoll’ Juden an der Schule gab. Das wird von Hitlers eigener Beobachtung gestützt: ‚Linz besaß nur sehr wenig Juden.’1 Wüßten wir, dass es nur einen Schüler jüdischer Abstammung an der Schule gab, wäre der Fall geklärt, und es gäbe überhaupt keinen Zweifel, dass Hitlers Jude Wittgenstein war.“ Der Jude aus Linz, Hitler und Wittgenstein, Kimberley Cornish 1998, deutsche Ausgabe S. 25, Verlag Ullstein
„Erst in meinem vierzehnten bis fünfzehnten Jahre stieß ich öfters auf das Wort Jude, zum Teil im Zusammenhange mit politischen Gesprächen. Ich empfand dagegen eine leichte Abneigung und konnte mich eines unangenehmen Gefühls nicht erwehren, das mich immer beschlich, wenn konfessionelle Stänkereien vor mir ausgetragen wurden.
Als etwas anderes sah ich aber damals die Frage nicht an.
Linz besaß nur sehr wenig Juden. Im Laufe der Jahrhunderte hatte sich ihr Äußeres europäisiert und war menschlich geworden; ja, ich hielt sie sogar für Deutsche. Der Unsinn dieser Einbildung war mir wenig klar, weil ich das einzige Unterscheidungsmerkmal ja nur in der fremden Konfession erblickte. Daß sie deshalb verfolgt worden waren, wie ich glaubte, ließ manchmal meine Abneigung gegenüber ungünstigen Äußerungen über sie fast zum Abscheu werden.
Vom Vorhandensein einer planmäßigen Judengegnerschaft ahnte ich überhaupt noch nichts.
So kam ich nach Wien.“ S. 55, Adolf Hitler, Mein Kampf, 1925, – 666. – 670. Auflage 1942 Band II 1927 by Verlag Frz. Eher Nachf., GmbH, München/Printed in Germany. Druck: Waldheim-Eberle, Nachfolger Buchgewerbe-Haus M. Müller & Sohn, Wien – Croatiaknjiga, Zagreb, 2002 www.croatiaknjiga.hr
1 S. 12 Ludwig Wittgenstein: The Duty of Genius, Ray Monk, Verlag: Jonathan Cape 1990)
The documented performance took place at the finissage of Tanya Ury’s exhibition Jacobs Ladder in the Hochbunker Cologne-Ehrenfeld, Germany on 09.11.2002, the anniversary of Reichskristallnacht. The bunker was built on the site of a synagogue, which had been destroyed on Reichskristallnacht, 1938.
The Poker Game 2003, a further performance by Tanya Ury, in which Ury takes on the roles of both Hitler and Wittgenstein, develops the theme of Red Hot Pokers.
Wittgenstein, der im Ersten Weltkrieg eine Tapferkeits-Medaille erhalten hatte, musste im Zweiten Weltkrieg seine Familie freikaufen; die durch die Nürnberger Gesetze als jüdisch bezeichnet und diskriminiert wurde.
Die Meinungen der Philosophen Wittgenstein und Popper divergierten; wo Wittgenstein Rätsel zu entziffern suchte, strebte Popper nach der Lösung von Problemen. Für Popper war es mehr als nur die Entwirrung einer linguistischen Gleichung; er glaubte, dass Philosophie pragmatisch sein müsse, dass die moralische Pflicht eines Philosophen darin bestehe, der Realisierung demokratischer Systeme Beistand zu leisten. Popper glaubte, dass Wittgensteins Sprachtheorien in ihren Abstraktionen gefährlich seien, und aktuelle politische Entwicklungen nicht berücksichtigen. Der Krieg war erst gerade vorbei; England kämpfte immer noch mit der Rationierung. Es war kalt und die einzige Wärmequelle in H3, dem Zimmer wo der Disput stattfand, war ein kleiner, offener Kamin. Eine erbitterte Auseinandersetzung, die sich schnell in ein ernstes Wortduell entwickelte, geschah innerhalb weniger Minuten nach Eröffnung der Debatte. Wittgenstein, der seine Gedanken zu illustrieren versuchte, ergriff aus dem Feuer ein heißes Schüreisen (im englischen ‚Poker’ genannt) und schien Popper damit zu bedrohen. Während sie ihre Dominanz in den Sphären der Philosophie demonstrieren wollten, erinnerten Wittgenstein und Popper einander an die Nutzlosigkeit der Philosophie im Anblick Hitlers brutaler Macht. Aber war das der wirkliche Grund ihres Streits?
„In jüdischer Hinsicht, könnte man ihn (Wittgenstein) als einen in der Wildnis wandernden traditionellen Tsaddik, einen Heiligen, betrachten.“ (S.18: Wittgenstein’s Poker, Edmonds and Eidinow, 2001 Faber and Faber UK – Zitat-Übersetzung Tanya Ury & Amin Farzanefar). Wittgenstein, der vermutlich latent homosexuell war, verkörperte alles, was in Hitlers nationalsozialistischem Gesellschaftsmodell verachtet war.
Begrüßung zur Finissage der Ausstellung Diasporas and Troubles am 16. Dezember 2007 Finissage Red Hot Pokers von Tanya Ury, mit Kristof Szabo
Die Performance Red Hot Pokers wurde erstmals in Tanya Urys Ausstellung „Jacob’s Ladder“ im Hochbunker Köln-Ehrenfeld 2002 präsentiert.
Die Idee zur Performance bildet ein Wortgefecht zwischen den Philosophen Karl Popper und Ludwig Wittgenstein, beide österreichisch-jüdischer Herkunft. Während des Streitgesprächs, das 1946 in Cambridge/England stattfand, greift Wittgenstein zu einem Schürhaken („poker“ im engl.), um seine Gedanken zu illustrieren. Popper fühlte sich bedroht.
Tanya Ury verfremdet das real stattgefundene Gespräch. Sie nimmt dabei biografische Bezüge von Ludwig Wittgenstein und Adolf Hitler auf. Beide sind im österreichischen Linz 1889 geboren, in einem kurzen Abstand von lediglich sechs Tagen. Sie besuchten beide die gleiche Schule, möglicherweise sogar die gleiche Klasse. Tanya Ury nimmt den Gedanken „der unheimlichen Zwillinge“ auf: Sie verfremdet das Streitgespräch der Philosophen zu einer Interaktion von Textauszügen aus Adolf Hitlers „Mein Kampf“ – dessen Publikation und Verbreitung in Deutschland verboten ist – und aus Ludwig Wittgensteins „Bemerkungen über die Farbe“.
Durch die willkürliche Auswahl der Texte, die sich nicht aufeinander beziehen, entsteht eine surreale Aussage: Eine brutale politische Dominanz steht einer abstrakten Philosophie der Sprache gegenüber.
Anette Frankenberger, Kuratorin, Kunstbunker Tumulka, München
Information
Konzept: Tanya Ury
Schauspieler: Tanya Ury, Rolf Steiner
Kamera: David Janecek
AVID Edit: Zuhal Er, Karin Sistig, Aron Roos
Präsentation
2002 (9.11.) Red Hot Pokers auf Deutsch mit Rolf Steiner Jacob’s Ladder Hochbunker Köln-Ehrenfeld (D)
2003 (8.12.) Red Hot Pokers Performance auf Deutsch, mit Marina Grzinic, Wiener Kunstakademie (A)
2003 (9.12.) Red Hot Pokers (Trailer: Video Dokumentation) & Einladung als Gastrednerin, Kunsthaus, 6th Graz Biennial für Medien und Architektur (A)
2006 (27.2) Peer Critique, Trailer, Ben Uri Gallery, The London Jewish Museum (GB)
2006 (5.4.) Seminar für professionelle Praxis mit Trailer, Kunstabteilung, Sheffield Hallam University (GB)
2006 (6.4) Trailer präsentiert im Seminar für Cathy Gelbin’s PhD. Konferenz Kurs: Gender and Visual Arts, Holocaust Studies (Geschlecht und die Visuellen Künste), Royal Holloway, London (D)
2006 (10.5.) Körperbilder, Seminar mit Trailer, Kunstverein Dortmund (D)
2007 (23.3) Auf der online Feminist Art Base (Datenbank für feministische Kunst) Video-Trailer The Elizabeth A. Sackler Center for Feminist Art, The Brooklyn Museum, New York (USA) www.brooklynmuseum.org…
2007 (6.11−16.12) Eröffnung 5. November, Finissage 16. Dezember, Gruppenausstellung Diaspora and Troubles von Tanya Ury kuratiert, Performance Red Hot Pokers auf Deutsch mit Kristof Szabo, 15 Uhr, 16. Dezember, Kunstbunker Tumulka, München (D)