or else

Eine mit Plexi­glas verschweißte und montierte (MDF) Photo­gra­phie: Höhe 64 cm x Breite 85 cm (Edition 7)
(Edition 7: Höhe 32 cm x Breite 42,5 cm)

Versi­che­rungs­wert 2.000 Euro 

Konzept Tanya Ury
Kamera David Janecek
Digi­tale Bear­bei­tung Claudia Stasch

Doppel-Porträts – Eine Werkserie:

or else zeigt auf der linken Seite des Bildes die Künst­lerin Tanya Ury in einer Drei­viertel-Ansicht. Digital in die Photo­gra­phie einge­baut, auf der rechten Seite, ihr gegen­über, befindet sich die deutsch-jüdi­sche Schrift­stel­lerin Else Sara Ury (18771943). Tanya ähnelt Else in Klei­dung und Haltung wie Else und macht ihren Gesichts­aus­druck nach. Else und Tanya teilen denselben Nach­namen. Tanya Ury’s Groß­mutter Hedwig Ury (gebo­rene Ullmann), wie Else Ury, verstarb auch in Ausch­witz, jedoch ein Jahr später in 1944. 


or else
ist die Fort­set­zung lesser is me more or less 2003, Tanya Ury’s photo­gra­phi­schem Doppel­por­trät von sich selbst und Lesser Ury, einem deut­schen Maler des frühen 20. Jahrhunderts.

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Else Ury war die Autorin sehr erfolg­rei­cher deut­scher Kinder­bü­cher einschließ­lich Nest­häk­chen“, eine Serie von 10 Bücher, die das Leben der christ­li­chen Prot­ago­nistin Anne­marie Braun von der Kind­heit bis zum hohen Alter als Groß­mutter, schil­dert. Diese Bücher sind jetzt noch in Deutsch­land erhält­lich, aller­dings in einer gekürzten und moder­ni­sierten Sprach­form; sie waren an Mädchen gerichtet, und propa­gierten eine tradi­tio­nelle Frau­en­rolle und bürger­liche Familienwerte.

Ihre Buch Nest­häk­chen und der Welt­krieg“ wurde als kriegs­ver­herr­li­chend“ indi­ziert. Über Jugend voraus!“ über Else Urys letztes publi­ziertes Buch von 1933, äußert sich Mari­anne Brentzel:

Else Ury war eine unpo­li­ti­sche, konser­va­tive Frau des deut­schen Bürger­tums, die mit großer mensch­li­cher Anteil­nahme das Massen­elend der Arbeits­lo­sig­keit sah und im Sog der Massen­be­geis­te­rung Hitler für eine mögliche Lösung aus der tiefen Staats­krise hielt. Sie hat 1933 die Augen vor der poli­ti­schen Wirk­lich­keit verschlossen, wie sie es vor den Gescheh­nissen im öffent­li­chen Raum ihr ganzes Leben getan hat. Sie hat einmal mehr der heilen, deut­schen Familie ein Denkmal setzen wollen.“
Mari­anne Brentzel: Nest­häk­chen kommt ins KZ“, S. 154

Obwohl die Hälfte aller deut­schen Frauen ihre Bücher gelesen haben (über 7 Millionen Exem­plaren wurden ins gesamt verkauft), wurde die Tatsache ihrer Ermor­dung erst 50 Jahre später publi­ziert; sogar die wieder­holt ausge­strahlte TV-Weih­nachts­serie von 1983 hatte diese Infor­ma­tion unterschlagen.

Biblio­gra­phie
www​.ebook​mall​.com/eboo… 

de​.wiki​pedia​.org/​wiki/…
www.mariannebrentzel.d…

Post Scriptum 2008

Als ich für diese Arbeit recher­chierte, entdeckte ich auf der deut­schen Wiki­pedia Website folgenden Eintrag:

Else Ury (* 1. November 1877 in Berlin; † 13. Januar 1943 im Konzen­tra­ti­ons­lager Auschwitz)“

Ich nahm mit Wiki­pedia Kontakt auf, um ihnen mit zu teilen, wie unpas­send das Kreuz­symbol als Ergän­zung zu Else Urys Todestag war – das Kreuz im Fall eine ermor­deten Jüdin anzu­wenden war doppelt Fehl am Platze. Ich schlug den Ausdruck Todes­datum“ hier als geeig­neter vor.

Wiki­pedia antwor­tete mir, dass ein paar Jahre zuvor eine Online-Debatte darüber statt­ge­funden hatte, welches Symbol das Todes­datum bezeichnen sollte; man hatte sich auf die Kreuz-Hiero­glyphe geei­nigt, die nun auf allen Wiki­pedia-Seiten benutzt wird. Die Sache ist jetzt abgeschlossen.

In Kenntnis dieser Entschei­dung war ich über­rascht, im engli­schen Wiki­pedia folgende Erklä­rung zu entdecken:

Da es (die typo­gra­phi­sche Kreuz-Symbol) auch das christ­liche Kreuz reprä­sen­tiert, vor allem in einigen über­wie­gend christ­li­chen Regionen, wird das Zeichen in einem Text vor oder nach dem Namen oder dem Todes­datum eines verstor­benen verwendet, wie auf christ­li­chen Grab­steinen. Aus diesem Grund sollte es nicht als Fußnote neben dem Namen einer lebenden Person ange­wendet werden. Die reli­giösen Konno­ta­tionen des Symbols können diese Verwen­dung für Leute aus nicht christ­li­chen Kulturen unan­ge­messen erscheinen lassen.“ en​.wiki​pedia​.org/​wiki/…

Auf der deut­schen Wiki­pedia-Seite, fehlt ein Hinweis auf die reli­giösen Sensi­bi­li­täten ergänzt bei Verwen­dung dieses Symbols.
(see: de​.wiki​pedia​.org/​wiki/…)

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Auch andere Kunst­ar­beiten Urys lassen sich als visu­elle Poesie“ verstehen. Moving Message 1992, beinhaltet ein LED-Display mit den Wörtern: you are why; Sonata in Sea 1999 – 2000 ist eine Photo­serie kombi­niert mit Poesie und wrest­le­wi­th­y­ou­rangel 2001 ist ein Neon­leucht­zei­chen, das zusammen mit dem Neon­zei­chen neonazi 2001 ange­fer­tigt wurde; der Titel eines Photo-Doppel-Porträts lesser is me more or less 2003 spielt auf den Namen von Lesser Ury an, den deut­schen Post-Impres­sio­nisten, sowie auf den Titel eines weiteres Doppel-Porträts or else 2007, der auf die deut­sche Autorin Else Ury deutet. Der Titel eines dritten Porträt-Photos Beel­ze­bu­larin 2005 (in der Serie Promised Land) entschlüs­selt sich als Anagram des bibli­schen Bezalel Ben Uri“. half dimen­sional – semi detached 2010 schließ­lich kombi­niert das erste der half dimen­sional poems mit der Photo­gra­phie semi detached.

concrete – Eine Werkserie (Beinhaltet Gedichtreihen)



Präsen­ta­tion

2007 (11.3. – 9.4.) Connected, Grup­pen­aus­stel­lung, Eröff­nung 12 Uhr, Jüdi­sche Kultur­tage, Altes Museum im BIS-Zentrum Mönchen­glad­bach (D)
2007 (15.7. – 26.8.) Kunst­verein Rosen­heim Jahres­aus­stel­lung, Eröff­nung 14. Juli, Städ­ti­sche Galerie (D)

Presse

Die Kraft der Weib­lich­keit – Eine enorme Band­breite von Kunst hat Hubertus Wunschik in einer Grup­pen­aus­stel­lung inter­na­tio­naler Künstler im Alten Museum versam­melt. Die Ausstel­lung Connected“ verbindet Werke jüdi­scher und nicht-jüdi­scher Provenienz.

Von Dirk Richerdt – Samstag 10. März 2007 RHEINISCHE POST

Einen Blick­fang schon im Entrée des Bürger­hauses bilden die Foto­mon­tagen von Tanya Ury. Die 55-jährige jüdi­sche Künst­lerin, in London geboren, die seit 1993 in Köln lebt, hat eine Serie dialo­gi­scher Selbst­por­träts geschaffen: Zu sehen ist Ury zusammen mit ihren Vorfahren, darunter der deut­sche impres­sio­nis­ti­sche Maler Lesser Ury und die deutsch-jüdi­sche Schrift­stel­lerin Else Sara Ury. Und dann taucht Albert Einstein auf. Mit dem Wissen­schaftler ist Tanya Ury zwar nicht verwandt, aber das Bild mit dem Pfeife schmau­chenden Forscher und der Künst­lerin daneben, die in glei­cher Art wie Einstein eine (Pfeife) hält, hat skurile Ausstrah­lung. Direkt neben der ernst gemeinten Darstel­lung persön­li­cher Geschichte blitzt die Humo­reske auf. Tanya Urys mit Plexi­glas verschweißte Fotos nehmen der Ausstel­lung so eine gewisse Ernst­las­tig­keit…“ 

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…Mit Frage der Iden­tität beschäf­tigen sich eindring­lich und witzig zugleich Tanya Urys Foto­ar­beiten Du bist Einstein“ und or else“. Bei denen sie nach­ge­stellte Foto­gra­fien zu den Original-aufnahmen stellt…“

Ein über­zeu­gendes Ja zur Kunst – Ein Rund­gang in der Städ­ti­schen Galerie durch die Jahres­aus­stel­lung des Kunst­ver­eins Rosen­heim, von Raimund Feichtner (mit Abbil­dung von Du bist Einstein“, 23.4.2007 Kultur in der Region, Verlags­haus Rosen­heim (D)

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