Eine mit Plexiglas verschweißte und montierte (MDF) Photographie: Höhe 96 cm x Breite 64 cm (Edition 7)
(Edition 7: Höhe 48 cm x Breite 32 cm)
Versicherungswert 2.000 Euro
Konzept Tanya Ury
Kamera David Janecek
Digitale Bearbeitung Claudia Stasch
Doppel-Porträts – Eine Werkserie:
- Hermes Insensed 2000 – 2001
- Franco and Elke J. 2002
- lesser is me more or less 2003
- Your Rules 2004
- or else 2007
- Du bist Einstein 2007
- doo bee doo 2007
- Artistic freedom 2013
Die Kunstarbeit doo bee doo zeigt eine photographische Abbildung der Künstlerin Tanya Ury platziert unter dem Bild eines Albert-Einstein-Doubles (welches Einstein nur wenig ähnelt) aus der deutschen Medienkampagne „Du bist Deutschland“ von 2005. Ury ahmt die Einstein-Pose nach, indem sie ihren Kopf mit gerunzelter Stirn in der linken Hand aufstützt. Sie kopiert auch den Bildausschnitt des Plakates, der am unteren Teil des Mundes abgeschnitten ist.
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„Du bist Deutschland“ war eine Initiative der „Partner für Innovation“, ins Leben gerufen von 25 Medienunternehmen und koordiniert von der Bertelsmann AG. Diese Kampagne lief von Ende September 2005 bis Januar 2006. Ziel war es, mit TV-Spots, Plakaten und einem Budget von ca. 30 Millionen Euro positive Gefühle für das Land zu hervorzurufen, insbesondere anlässlich der Bundeswahl vom 2. Oktober 2005.
2005 wurde auch in Deutschland als Einsteinjahr begangen, zum 50. Todestag des Nobelpreisträgers (1879−1955). Anlässlich dessen schmückte man das Berliner Rathaus mit einem Einstein-Zitat aus einem Brief aus dem Jahr 1920 das an den einstigen großen Bürger der Stadt erinnerte:
„Berlin ist die Stätte, mit der ich durch menschliche und wissenschaftliche Beziehungen am meisten verwachsen bin…“.
1933 musste der jüdische Einstein aus Deutschland in die USA flüchten.
‚Albert Einstein hat auch nach 1945 mit dem Land seiner Herkunft nichts mehr zu tun haben wollen. Deutschland und Berlin hat er nie wieder gesehen. Seine Abscheu vor allem Deutschen, die sich zum unversöhnlichen Hass steigern sollte (Roger Highfield und Paul Carter, Die geheimen Leben des Albert Einstein, 1994) hielt bis zu seinem Tod unvermindert an: „Er machte klar, dass er nichts mehr mit seinem Geburtsland zu tun haben wollte, dessen Einwohner er unterschiedslos für das Massaker an den Juden unter Hitler für schuldig befand. Die Intellektuellen hätten sich so schlecht verhalten wie die Massen, sagte er, und er nahm nur wenige seiner engsten Kollegen davon aus. Er war zu der Überzeugung gekommen, die Deutschen seien die grausamste Rasse der Erde; sie hätten die Mentalität von Gangstern und zeigten, so behauptete er, keine Anzeichen von Reue für die Jahre des Massenmords…“.
Gegen die beschämende posthume Umdeutung seines längst obsoleten Briefzitats am Roten Rathaus kann sich Albert Einstein nicht mehr zur Wehr setzen.‘
Dr. Dr. h.c. Klaus-Heinrich Standke, Berlin-Zehlendorf, Direktor für Wissenschaft und Technologie bei den Vereinten Nationen a.D.
www.berlin.de/RBmSKzl/Rathausaktuell/archiv/24139/index.html
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„Noch heute ist in Deutschland die Vorstellung von den ‚prominenten’ Juden nicht verschwunden. Während die Kriegsteilnehmer und andere privilegierte Gruppen nicht mehr erwähnt werden, beklagt man das Schicksal ‚prominenter’ oder ‚berühmter’ Juden immer noch auf Kosten aller anderen. Es gibt nicht wenige, besonders unter den Gebildeten, die heute noch öffentlich die Tatsache beklagen, dass Deutschland Einstein aus dem Lande gejagt hat – ohne zu begreifen, ein wie viel größeres Verbrechen es war, Hänschen Cohn von nebenan zu töten, auch wenn er kein Genie war.“ S. 230, Eichmann in Jerusalem, Ein Bericht von der Banalität des Bösen, Hanna Arendt 1963, Übersetzung aus dem Amerikanischem von Brigitte Granzow 1964, Piper Verlag, 2006 (D)
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Einstein wurde in Ulm geboren, so wie Sigmar und Hedwig (geb. Ullmann), die jüdischen Großeltern von Tanya Ury, die Opfer der Nazis wurden. In 1993 erhielt Ury, die in London in der zweiten Generation geboren wurde, die doppelte-Staatsbürgerschaft und wanderte im selben Jahr nach Deutschland aus, um hier zu leben und arbeiten.
Text zum Plakat: Du bist Albert Einstein. (Foto: Tobias Gerber, Bilderberg, ©2005), dass in Deutschland 2005 verbreitet wurde:
Du bist Albert Einstein
Du denkst, du entwickelst dich langsamer als alle anderen? Relativ witzig. Das hat Albert Einstein auch von sich gesagt. Später gewann der „Zurückgebliebene“ den Nobelpreis.
Was E=mc2 bedeutet, muss man wirklich nicht begreifen. Aber eins schon: Sich zu unterschätzen bringt nichts. Wer dagegen alles aus sich herausholt, kann nach den Sternen greifen – in Alberts Fall sogar im wahrsten Sinne des Wortes.
Du bist Deutschland.
Eine Aktion deutscher Medien im Rahmen der Initiative „Partner für Innovation.“
www.du-bist-deutschland.de
Übersetzung des englischen Textes zu Tanya Ury’s Photomontage:
Ich bin Albert Einstein
Bin ich langsam? Sie bewerben deutschen Patriotismus in meinem Namen. Gar nicht witzig. Mag sein, dass ich Nobelpreisträger war, aber damals musste ich das Land unter Lebensgefahr verlassen
Was E=mc2 bedeutet, muss man wirklich nicht begreifen. Aber eins schon: die Geschichte. Wisch Dir die Sterne von den Augen, von falschen Respekt und schlecht recherchierter Agitation.
Du bist Deutschland?
doo, bee, doo, bee, doo
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„Doo bee doo“ ist der Ton, der von gelangweilten Menschen gemacht wird, um das Schweigen auszufüllen, meistens in textlicher Kommunikation, aber manchmal verbal. Es stammt von Menschen, die eine kleine Melodie pfeifen oder singen während sie untätig sind.
Weisheit aus den 60ern:
To do is to be – Descartes
To be is to do – Sartre
Doo, bee, doo, bee, doo – Sinatra
‚Im Kern der (Du bist Deutschland) Kampagne stand ein sogenanntes Manifest, das gleichzeitig auch im Zentrum des Werbespots war. Die bis zu zwei Minuten langen Spots zeigten größtenteils prominente Menschen an historischen, landschaftlichen und urbanen Schauplätzen. Diese trugen den Slogan der Kampagne Du bist Deutschland in verschiedenen Variationen vor: „Du bist das Wunder von Deutschland“, „Du bist der Baum“, sowie Sinnsprüche und Metaphern wie zum Beispiel „Dein Wille ist wie Feuer unterm Hintern“, die positive Gefühle auslösen und den Zuschauer spontan begeistern und mitreißen sollen…
…Viele Kritiker wurden auf den Plan gerufen, weil die Kampagne den Einzelnen als Mitglied eines Nationalstaats ansprach. Sie argumentierten dies sei eine nationalistische Haltung und würde Nähe zu den nationalistischen Denkmustern des Nationalsozialismus aufweisen. Als Beleg wurden ähnliche nationalsozialistische Parolen angegeben:
Tatsächlich nutzten die Nationalsozialisten die – allerdings auf Adolf Hitler gemünzte – Parole „Denn Du bist Deutschland“ während einer Kundgebung 1935 auf dem Ludwigsplatz in Ludwigshafen. Abgebildet ist dies in dem Buch „Ludwigshafen – Ein Jahrhundert in Bildern“ des Stadtarchivs Ludwigshafen am Rhein von 1999 (ISBN 3−924667−29−2). Den Satz überragt ein großes Hitlerporträt. Die renommierten Historiker Hans Mommsen und Hans-Ulrich Wehler sahen die Kampagne dennoch nicht als belastet an. In abgewandelter Form ist der Slogan auch zu finden in dem Film „Triumph des Willens“ von Leni Riefenstahl auf: „Sie sind Deutschland!“.‘
Präsentation
2007 (11.3. – 9.4.) Connected, Gruppenausstellung, Eröffnung 12 Uhr, Jüdische Kulturtage, Altes Museum im BIS-Zentrum Mönchengladbach (D)
Publikationen & Presse
Die Kraft der Weiblichkeit – Eine enorme Bandbreite von Kunst hat Hubertus Wunschik in einer Gruppenausstellung internationaler Künstler im Alten Museum versammelt. Die Ausstellung „Connected“ verbindet Werke jüdischer und nicht-jüdischer Provenienz.
Von Dirk Richerdt – Samstag 10. März 2007 RHEINISCHE POST
„Einen Blickfang schon im Entrée des Bürgerhauses bilden die Fotomontagen von Tanya Ury. Die 55-jährige jüdische Künstlerin, in London geboren, die seit 1993 in Köln lebt, hat eine Serie dialogischer Selbstporträts geschaffen: Zu sehen ist Ury zusammen mit ihren Vorfahren, darunter der deutsche impressionistische Maler Lesser Ury und die deutsch-jüdische Schriftstellerin Else Sara Ury. Und dann taucht Albert Einstein auf. Mit dem Wissenschaftler ist Tanya Ury zwar nicht verwandt, aber das Bild mit dem Pfeife schmauchenden Forscher und der Künstlerin daneben, die in gleicher Art wie Einstein eine (Pfeife) hält, hat skurrile Ausstrahlung. Direkt neben der ernst gemeinten Darstellung persönlicher Geschichte blitzt die Humoreske auf. Tanya Urys mit Plexiglas verschweißte Fotos nehmen der Ausstellung so eine gewisse Ernstlastigkeit…“
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2008 (11) Über doo bee doo wird in einem Artikel über Tanya Ury von Hartmut Bomhoff in der monatlich erscheinenden “Jüdischen Zeitung” Berlin diskutiert (D) Artikel als PDF