Archive Fever

Photo­gra­phie, Größe 4530,5 cm (21,515 cm)
Edition von 7


Archiv – Eine Werkserie

Selbst für Sigmund Freud ist der Destruk­ti­ons­trieb keine anfecht­bare Hypo­these mehr. Selbst wenn diese Speku­la­tion niemals die Form einer festen These annimmt, selbst wenn sie sich niemals setzt, ist sei ein anderer Name für Ananke, die unbe­zwing­lich Notwen­dig­keit. Es ist, als ob Freud von nun an der irre­du­zi­blen und ursprüng­li­chen Perver­sität dieses Triebes, den er hier mal Todes­trieb, mal Aggres­si­ons­trieb, mal Destruk­ti­ons­trieb nennt, als ob diese drei Worte in diesem Fall synonym wären, nicht mehr wider­stehen könnte. Zwei­tens ist dieser Trieb mit den drei Namen stumm“.Er ist am Werk, doch da er stets im stillen wirk, hinter­lässt er niemals ein ihm eigenes Archiv. Sein eigenes Archiv zerstört er zuvor, als ob dies in Wirk­lich­keit die eigent­liche Moti­va­tion seiner urei­gensten Regung wäre. Er arbeitet daran, das Archiv zu zerstören: unter der Bedin­gung, aber auch in der Absicht, seine eigenen“ Spuren auszu­strei­chen – die von nunmehr nicht nur anar­chisch, anar­chon­tisch zu sein (vergessen wir nicht, dass der Todes­trieb, so ursprüng­lich er auch immer sein mag, kein Prinzip ist, wie die Prin­zi­pien der Lust und der Realität es sind): der Todes­trieb ist zunächst anar­chi­va­risch, könnte man sagen, archi­vio­li­thisch. Stets wird er, einer still­schwei­genden Bestim­mung folgend, ein Archiv­zer­störer gewesen sein.1

1 S. 23 – 24, Dem Archiv Verschrieben – Eine Freud­sche Impres­sion, Jacques Derrida, Brink­mann + Bose, 1997 ISBN 3922660673

Die Photo­gra­phie von Juli­ette Brungs wurde 23.8.2010 am Kölner Loch“ aufge­nommen – dort wo das ehema­lige Histo­ri­sche Stadt­ar­chiv stand und am 3.3.2009 zusam­men­ge­fallen ist. Der Graf­fiti lautet: Wo ist die Verant­wor­tung für diesen Pfusch! 03.03.2009 – im Abgrund!”

Mit dem Kollaps des Stadt­ar­chivs, verur­sacht durch Fehler bei den Konstruk­ti­ons­ar­beiten an einer neuen U‑Bahn-Linie in der Umge­bung, hat Tanya Ury buch­stäb­lich ihr Fami­li­en­ar­chiv verloren, das die Urys 1999 der Stadt Köln schenkten.

In ihrem Artikel Written Into the Body – the Perfor­mance Video Art of Tanya Ury” („In den Körper einge­schrieben – Die Perfor­mance-Video-Kunst von Tanya Ury“, das später zu einem Buch über Esther Dische­reit und Tanya Ury entwi­ckelt wird), bezieht Juli­ette Brungs sich auf den Archiv-Begriff in Jacques Derridas Archiv-Fieber: Ein freud­scher Eindruck“.


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