Fury

Video-Perfor­mance (Englisch/​Deutsch) 2:05 Stunden und kurze Version 16 Minuten
vimeo​.com/​7662688
(Adobe Flash Player Update umsonst unter Google)

Preis & Versi­che­rungs­wert 100 Euro

Fury wurde auf Einla­dung von Tanja Ostojic für ihr Projekt Misplaced Women?“ („Unan­ge­brachte Frauen?“) erstellt. Die Arbeit ist ein Perfor­mance — Video über den Verlust des Ury/Unger-Nach­lasses beim Einsturz des Histo­ri­schen Archivs in Köln am 3. März, gefilmt am 3. Oktober, Tag der Deut­schen Einheit, zum zwan­zigsten Jubi­läum der Wiedervereinigung.


Archiv – Eine Werkserie

In Fury über­nimmt Tanya Ury die Rolle einer der einer der drei Furien, jener auch Erin­nyen oder Eumen­iden genannten Rache­göt­tinnen der Antike, welche schwere Verbre­chen vergelten. Sie trägt einen Koffer voller Dreh­bü­cher und Artikel ihres Groß­va­ters Alfred H. Unger: dieser wurde vor zehn Jahren aus Versehen zu ihr nach­hause gelie­fert, statt ins Stadt­ar­chiv, und sie behielt ihn. Am Loch“ – jenem Ort wo das Kölni­sche Stadt­ar­chiv einmal gestanden hatte – verliest sie einen dieser Artikel, über Köln, von 1948.

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Tisi­phone, Alecto und Megaera, die Erin­nyen oder Furien, leben im Erebus, und sind älter als Zeus oder irgendein anderer Olym­pier. Ihre Aufgabe ist es, die Klagen anzu­hören, welche die Sterb­li­chen als Bitt­steller gegen (…) Haus­be­sitzer oder Stadt­räte vorbringen und solche Verbre­chen zu bestrafen, indem sie die Schul­digen uner­bitt­lich jagen – von Stadt zur Stadt, und von Land zur Land, ohne zu ruhen noch zu rasten. Diese Erin­nyen sind alte Weiber, mit Schlangen als Haar, Hunde­köpfen, kohl­schwarzen Körpern, Fleder­maus­flü­geln und blut­un­ter­lau­fenen Augen. In ihren Händen tragen sie messing­be­schla­gene Geißeln, und ihre Opfer sterben unter Qualen. Es ist unklug, sie nament­lich im Gespräch zu erwähnen; dementspre­chend werden sie übli­cher­weise euphe­mis­tisch die Eumen­iden“ genannt, was Die Liebens­wür­digen’ bedeutet…„1

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1999, ein Jahr nach dem Tod ihrer Mutter Sylvia, und nach langen Über­le­gungen und Fami­li­en­de­batten, bei denen das Londoner Leo-Baeck-Institut, ein jüdi­sches Archiv als passender Ort in Betracht gezogen worden war, den Ury/​Unger Nach­lass aufzu­be­wahren, hatte Tanya Ury das Fami­li­en­ar­chiv dem Histo­ri­schen Archiv der Stadt Köln in Verwah­rung gegeben; sie lebt seit 1993 in Köln – der Stadt, die die Heimat vieler ihrer Fami­li­en­mit­glieder aus früheren Gene­ra­tionen gewesen war. Es sollte eine Geste der Versöh­nung und des Vertrauens Deutsch­land gegen­über sein, diese Doku­mente, Briefe, Photo­gra­phien und andere Objekte vieler Gene­ra­tionen dieser deutsch-jüdi­schen Familie von Künst­lern und Geschäfts­leuten, die durch die Nazis Verfol­gung, Vernich­tung oder Exil erfahren hatten zurückzugeben.

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Der Einsturz des Histo­ri­schen Archivs in Köln bleibt immer noch unge­klärt ist aber wahr­schein­lich auf Boden­be­we­gungen zurück­zu­führen, die sich vermut­lich bei einem hydrau­li­schen Grund­bruch beim Bau der Nord-Süd-Stadt­bahn ereig­neten. Der Zusam­men­bruch weckt Erin­ne­rungen an eine monu­men­tale histo­ri­sche Katastrophe.

Im Alex­an­dri­schen Krieg 48 v. Chr. verbrannten 40.000 Buchrollen als Julius Caesar, wie allge­mein ange­nommen wird, ein Feuer auf See anzün­dete, das sich verse­hent­lich auf den Hafen und Biblio­thek ausge­brei­tete. Der Vergleich ist nicht ohne Begrün­dung: während die Biblio­thek von Alex­an­dria die größte der Alten Welt war, galt das Histo­ri­sche Archiv der Stadt Köln als größtes kommu­nales Archiv nörd­lich der Alpen, mit einer tausend­jäh­rigen Geschichte. Man fragt sich, welche Prio­ri­täten in dieser Stadt zwischen Kultur und Kommerz im Spiel waren, als der Verlust der wich­tigen histo­ri­schen Archiv­ma­te­ria­lien leicht­fertig in Kauf genommen wurde.

1 S. 121, The Greek Myths, Robert Graves, The Folio Society, London MCMXCVI Thir­te­enth prin­ting (two volumes) 2002 – Grie­chi­sche Mytho­logie, von Robert von Ranke-Graves, Über­set­zung Tanya Ury & Amin Farzanefar

Davka – Jüdi­sche Künstler in Deutsch­land – Tanya Ury

Sie leben unter uns. Weit­ge­hend unbe­merkt von der jüdi­schen Öffent­lich­keit soweit diese sich über die Kultur­be­richt­erstat­tung der offi­zi­ellen Jüdi­schen Presse defi­niert. Jüdi­sche Künstler und Künst­le­rinnen, die ihren Wohnort in Deutsch­land aufge­schlagen haben, um Kunst und Lebens­ge­schichte in einen krea­tiven Dialog zu bringen, und der kultu­rellen Erstar­rung entgegen zu wirken. Denn als Folge der Omni­prä­senz poli­tisch korrekter Wort­ri­tuale und Schein­ge­fechte wie sie von der jüdi­schen Reprä­sen­tanz und ihren Helfern gerade in Deutsch­land durch­ge­setzt werden, wird die konstruk­tive Ausein­an­der­set­zung von Judentum und Gesell­schaft, jüdi­scher Kultur und Politik gerade verhin­dert. Dass es anders geht, zeigt Tanya Ury, die jüdi­sche und israel­be­zo­gene Themen in einen Dialog mit poli­ti­schen Frage­stel­lungen bringt. Die 1951 in London gebo­rene Künst­lerin, Verwandte u.a. von Lesser Ury, zog 1993 nach Köln, ein Ort, an dem bereits etliche ihrer Vorfahren wirkten. Sie hat das Kultur­leben der Rhein­me­tro­pole berei­chert. Nach dem Tod ihrer Mutter Sylvia geb. Unger entschied sie im Jahr 1999 sich über­dies, den Nach­lass mehrerer Gene­ra­tionen ihrer Familie dem Kölner Stadt­ar­chiv zu über­lassen. Ob Geben und Nehmen in einem guten Verhältnis stehen, darf bezwei­felt werden, denn die Domstadt und ihre Vertreter haben sich für die Familie Ury und andere jüdi­sche Fami­lien, die ihre Nach­lässe vertrau­ens­voll der Stadt Köln über­lassen hatten als mise­rable Verwalter erwiesen: Es ist eine bittere Ironie, dass dieses Erbe, darunter Doku­mente ihres Groß­va­ters Alfred H. Unger, der mit Thomas Mann beim German Pen in Exile” aktiv war, durch die Verschüt­tung des Histo­ri­schen Stadt­ar­chivs verloren gegangen sind. Folge nicht nur massiver Fehler beim U‑Bahn-Bau, sondern vor allem einer gleich­gül­tigen, durch den Kölschen Klüngel” sedierten Stadt­ver­wal­tung. Die verschüt­teten jüdi­schen Nach­lässe scheinen die Auslö­schungs­maß­nahmen der Nazis fort­zu­setzen; Tanya Ury erkennt in ihnen die unent­wegt sich fort­set­zende Unsicht­bar­ma­chung der jüdi­schen Präsenz, des jüdi­schen Körpers. In ihren Projekten reflek­tiert sie das Verschwinden der jüdi­schen Präsenz und die Abwehr der Erin­ne­rung an die Opfer mit Ironie und einer Konse­quenz, die dem Betrachter in jeder Hinsicht unter die Haut geht…“

Ausschnitt aus dem Artikel: Künstler-Portrait von Hanna Rheinz in Der Semit – Unab­hän­gige Jüdi­sche Zeit­schrift”, Edition Nr. 6, Dezember 2009 – Januar 2010 (D)



Präsen­ta­tion

2009 (19.11) Fury, eine dele­gierte Perfor­mance — Video (3.10. gefilmt), über den Einsturz des Histo­ri­schen Archivs in Köln, für Tanja Ostojics Misplaced Women” („Unan­ge­brachte Frauen“) Projekt, online bei White Box, während Performa”, The Third Bien­nial of New Visual Art Perfor­mance, New York City (1 – 22.11.2009) (USA) Link zu lange und kurze Version: vimeo​.com (Adobe Flash Player Update umsonst unter Google)

2010 (1922.8) Instal­la­tion der Video-Perfor­mance Fury, Einzel­aus­stel­lung-Eröff­nung 19 Uhr, 19. August, kjubh KUNSTVEREIN, Dassel Strasse 75, Köln (D)

www​.kjubh​.de

2011 (18.3. – 26.6) Instal­la­tion der Video-Perfor­mance Fury, Grup­pen­aus­stel­lung Kunst und Gedenken. Kölner Künstler/​innen mit Arbeiten zur Ausein­an­der­set­zung mit dem Natio­nal­so­zia­lismus“, Eröff­nung: 17. März, EL-DE-Haus, NS-DOK-Zentrum Köln (D)

www​.muse​enkoeln​.de

2011 (2.8.) Präsen­ta­tion Tanya Urys Video-Perfor­mance: Fury, 20 Uhr, Kurator Jürgen Stoll­hans, Fritz-Schramma-Halle, Auenweg 173 GEB 6, 51063, Köln (D) fritzschrammahalle.wor…

2012 (13.2) Präsen­ta­tion Tanya Urys Video-Perfor­mance Fury, out of the blue – plötz­lich wird alles anders“. 18.15 Uhr, Director’s Lounge, Naherho­lung Stern­chen, Bero­lina­straße 7, 10178, Berlin (D)

laborberlin.wordpress.…

berlin​lounge​.tumblr​.co…

2015 (29.4.) Tanya Urys Power-Point-Präsen­ta­tion: Personal Affects – Going into the Archive (Bestands­auf­nahme) über das Archiv, mit Ausschnitten aus den Videos Fury und archive burn out, 17:00 – 18:30 Uhr, mit einer Diskus­sion, erfolgt auf Einla­dung von Dr. Dora Osborne, an der Edin­burgh Univer­sity (Prin­cess Dash­kova Centre, 14 Buccleuch Place, Univer­sity of Edin­burgh EH8 9LN, Edin­burgh) (GB)

2018 (11. – 12.4.) Am 13. April (Seminar zwischen 10 – 17 Uhr) stellt Tanya Ury als Keynote-Spre­cherin die Power-Point-Präsen­ta­tion Personal Affects – Going into the Archive (Bestands­auf­nahme – Das Archiv betreten, Kurz­fas­sung) vor, sowie eine kurze Version der Video-Perfor­mance Fury (2009). Anlass ist Living Archives („Leben­dige Archiven“), die Abschluss­ver­an­stal­tung der von Temi Odumoso (Malmö Univer­sität) kura­tierten Tagung To Be Archived“ („Archi­viert werden“) Malmö Konst­mu­seum, Malmö­hus­vägen 6, Malmö (SE) living​ar​chives​.mah​.se/…

2018 (Früh­ling) Personal Affects – Going into the Archive (Bestands­auf­nahme – Das Archiv betreten, kurze Version), mit Abbil­dungen – Stand­bild aus Fury – Video-Perfor­mance 2009 und Photo (Tanya Ury, 2009) von frei­wil­ligen, die in Porz im tempo­rären Lager­haus des Kölner Histo­ri­schen Archivs Erste Hilfe leisten, um zerstörte Doku­mente zu restau­rieren, nachdem die Archiv­ge­bäude einge­stürzt waren: Veröf­fent­licht (auf Englisch) in: Bet Debora Journal IV, Hentrich & Hentrich Verlag Berlin (D)

Infor­ma­tion

Perfor­mance: Tanya Ury

Über­set­zung Deutsch/​Englisch: Tanya Ury

Über­set­zung Englisch/​Deutsch: Tanya Ury und Amin Farzanefar

Kamera: Sigrid Hombach

Avid-Edit: Mirco Sanft­leben, Pixel2motion


Publi­ka­tionen & Presse

2011 (17.3.) Schwie­rige Deutsch­stunde – Kunst und Gedenken“: Viel­schich­tige Schau im NS-Doku­men­ta­ti­ons­zen­trum, Katha­rina Hama­cher Kölni­sche Rund­schau, Köln (D)

2011 (17.3.) Kölner Künstler setzen sich mit dem Natio­nal­so­zia­lismus ausein­ander, Domstadt Kultur Kunst­stadt Köln www​.koeln​.de(D)

2011 (17.3.) Es war, als wäre meine Familie ein zweite Mal ausge­rottet worden“, report‑k.de, Kölns Internetzeitung

2011 (17.3.) Tanya Ury brachte einen Koffer nach Köln, Köln Nach­richten – Das Online-Nach­rich­ten­ma­gazin für Köln (D)

2014 Osborne, D. Alas, alas. House, oh house!”: The collapse of the Cologne City Archive’ (“O weh, o weh. Haus, du Haus!”: Der Einsturz des Histo­ri­schen Archivs der Stadt Köln’), Journal of Urban Cultural Studies, 1:3, S. 395 – 416, (doi: 10.1386/jucs.1.3.395_1), eine Kritik von Elfriede Jelineks Ein Sturz’ und Urys Archive – Fury und archive burn out

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